ÖTV sagt wie erwartet nein

■ Ein mageres Angebot der Arbeitgeber macht das Scheitern der Verhandlungen im öffentlichen Dienst wahrscheinlich. Beide Seiten hoffen nun auf einen geschickten Schlichter

Berlin (dpa/taz) – Gestern nachmittag standen alle Zeichen auf Sturm. Sowohl Arbeitgeber als auch Verhandlungsführer der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) gingen davon aus, sich auch in der vierten Verhandlungsrunde nicht einigen zu können. Am Mittag hatten die Arbeitgeber ein erstes Angebot unterbreitet. Danach sollen sich die 3,2 Millionen Arbeiter und Angstellten des öffentlichen Dienstes mit einem Lohnzuwachs von einem Prozent begnügen. Von seiner Forderung, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu kürzen, rückte Bundesinnenminister Manfred Kanther, der Arbeitgebervertreter, jedoch nicht ab. Kanther hatte pro Krankheitstag einen Abschlag von einem Prozent des Weihnachtsgeldes verlangt. Außerdem sollen die Überstunden und Zuschläge nicht mehr in die Berechnung einfließen. Bei Kuren sollen bis zu sechs Urlaubstage gestrichen werden.

Erwartungsgemäß wies ÖTV- Chef Herbert Mai das Angebot der Arbeitgeber zurück. Für die ÖTV sei es „nicht akzeptabel und überhaupt nicht verhandlungsfähig“. Arbeitgeber und Gewerkschaften lagen bei Redaktionsschluß noch weit auseinander. Die ÖTV hatte ein Paket im Wert von 4,5 Prozentpunkten gefordert, welches Bund, Länder und Gemeinden 19 Miliarden Mark kosten würde. Das Volumen der Forderung ist nicht gleichzusetzen mit einer reinen Lohnerhöhung; sie sollte etwa zwei Prozent betragen. Den Rest will die ÖTV für beschäftigungssichernde und -schaffende Maßnahmen verwenden. Dazu zählen Arbeitszeitverkürzungen, eine Altersteilzeitregelung und der Abbau von Überstunden. Vor allem bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall will die ÖTV nicht nachgeben. Die Gewerkschaftsseite verwies gestern auf die gesunkenen Krankenraten im öffentlichen Dienst. Auch die Anpassung der Arbeits- und Tarifbedingungen für die Beschäftigten in Ostdeutschland will sie weiterverfolgen. Einzig die Alterszusatzversorgung könne separat verhandelt werden, sagte ein ÖTV-Experte.

Zu Redaktionsschluß war das Scheitern nicht offiziell erklärt worden. Falls es dazu kommt, wird der Schlichter angerufen. Von diesem Schritt erwarteten beide Parteien eine Lösung. roga