Klaustrophobie-Sex

■ Mäßige Hamburger Erstaufführung von John Fowles' Psychokrimi „Der Sammler“im Altonaer Theater

Ein Alptraum wird wahr für die Kunststudentin Miranda Grey. Eines Tages erwacht sie in einem fremden Bett, und vor ihr steht ein junger Mann, den sie noch nie in ihrem Leben gesehen hat. Er lächelt auf eine seltsam starre Weise und will auch auf hartnäckige Nachfragen nicht verraten, wie sie in diesen fensterlosen, verschlossenen Raum gekommen ist.

Mit dieser klaustrophobischen Situation beginnt John Fowles' Psychokrimi Der Sammler von 1963. Der Ort des Geschehens, ein winziger Keller, scheint wie geschaffen für die kleine Foyerbühne des Altonaer Theaters, auf der Mechthild Hempel ein nicht ungemütliches Kellergefängnis errichtet hat. Ein Paravent mit bunten Schmetterlingsfotos, auf dem Nachttisch liegen Kunstmagazine bereit. Ferdinand Clegg, so nennt sich der junge Mann, will schließlich, daß sich sein Entführungsopfer wohlfühlt. Und er verlangt ja nicht viel: Nur daß Miranda ihn allmählich kennenlernt und liebt.

Katrin Gerken spielt die selbstbewußte Tochter aus gutem Hause als quicklebendige Person, die vehement ihre Rechte einfordert. Doch langsam erkennt sie sich selbst nicht wieder. Glaubwürdig verkörpert Katrin Gerken den zunehmenden Persönlichkeitsverlust, der von Verwirrung und Verzweiflung, Wut und Resignation bis zur Apathie und immer wieder aufkeimender Hoffnung alle Stadien der Gefangenschaft durchläuft. Mit der Zeit empfindet sie sogar so etwas wie Sympathie für ihren Kerkermeister und läßt sich zu einem Verführungsversuch hinreißen, der kläglich scheitert.

Oliver Bode verlegt sich in seiner Rolle etwas eindimensional auf den verklemmten Spießer aus kleinen Verhältnissen, der Sex für schmutzig und Miranda nach ihrem Annäherungsversuch für eine Schlampe hält. Stets in blütenweißes Hemd zur Wollweste oder Strickjacke gekleidet, trägt er ein tumbes Dauerlächeln auf dem Gesicht. Der Wahnsinn schimmert leider nur schwach durch seine maskenhafte Starre. Fast Mitleid bekommt man mit ihm, wenn Miranda seine guten Taten ignoriert und er mit traurigem Dackelblick auf ein Zeichen des Dankes wartet.

Unter der Regie von Kai-Uwe Holsten, der das 1965 von William Wyler erfolgreich verfilmte Drama als Hamburger Erstaufführung inszeniert, spitzt sich das intelligente Psychodrama unaufhaltsam zu. Daß die Spannung wächst, kann man allerdings nicht behaupten. Zwar hält Katrin Gerkens furioses Spiel das Spannungslevel immerhin auf gleichbleibendem Niveau – was mit der Zeit aber immer mehr stört, sind die tempodrosselnden Pausen zwischen den Auftritten Ferdinands und dessen eingefrorene Miene. Einer Zuschauerin entfährt gar ein schauderndes „Uaahh“, als der Entführer „auf sein Wort“verspricht, Miranda in vier Wochen freizulassen. Wer glaubt denn so was?

Karin Liebe

noch bis 5. April, nicht täglich