■ Urdrüs wahre Kolumne
: Identität in der Bratwurst

Sie kommen spät, aber immerhin doch: Nachdem der Ouschnpaak final versackt ist, meldet sich auch die Bremer Architektenkammer als Speerspitze des guten Geschmacks in allen Planungsfragen zu Wort unf bekundet Unbehagen an den Sandkastenspielen der Köllmann–Family in Bremerhaven, durch deren Realisierung Schiffahrtsmuseum und Zoo am Meer von Fishtown abgeschnitten würden: Guten Morgen, die Herrschaften! Und für die Zukunft empfehlen wir die Literflasche Buerlecithin flüssig als individuelle Tagesdosis.

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Freizeitbüros richtet die evangelische Soldatenbetreuung an immer mehr Standorten ein, und ganz im hippe–hoppe Trend der neuen Zeit werden diese auch mit Inline–Skates und passenden Sturzhelmen und Knieschützern ausgerüstet. Jetzt noch'n bißchen Ecstasy auf den Leib Christi träufeln und den Kerls vonner Truppe ein paar Graffiti–Spraykannen für Odalsrunen oder keltische Sonnenzeichen zur Verfügung stellen, und schon ist der Verein voll im Trend. Der Antimilitaristjedoch freut sich: Wo ein Skater, da auch eine Wand zum Gegenknal-len!

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Begeistern kann ich mich für jeden und jede, die ihr Auto verschrotten und sich künftig radelnd oder zu Fuß über die Deiche begeben. A bisserl strange aber finde ich schon, wenn der ADFC–Kreisverband Cuxhaven das Velofahren im Verbandsjournal pedal zur metaphysischen Übung erhebt und einem verstorbenen Mitglied per Traueranzeige hinterherruft: „Egon, in Gedanken radelst Du weiterhin mit uns!“Ja soll der Mensch denn niemals Ruhe finden?

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Jeden Morgen auf dem Weg zur Tagesfron begegnet mir eine alte Dame in den Achtzigern auf den Stufen ihres Hauses, und immer gibt ein Wort das andere im Vorübergehen. „Schietwetter heute“, grüße ich heute morgen wahrheitsgemäß, muß mich dann aber belehren lassen: „Das ist kein Schietwetter, das is ein verdammtes Scheißwetter!“Für solche Urgroßmütter und auch für Dich, werte Leserin, soll's nicht nur zum Frauentag rote Rosen regnen...

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Mein Glaubensbruder Joachim Fischer von der Pusdorfer Friedensgruppe hat sein Bundeswehr–Barett dem Nashorn–Bürgermeister Henning für dessen Bekenntnis zum öffentlichen Gelöbnis geschickt. Die Jugend, sie liebt solche starken Gesten, doch vermutlich findet der Friedensfürst von Links der Weser sein Souvenir demnächst im AWO–Altkleidersack wieder: Nachahmungstäter mögen gefälligst ihren Wehrmachts–Nachlass bei mir als Depotverwalter der Spaßguerilla hinterlegen. Uniformteile sind schließlich für fast jeden Quatsch zu gebrauchen. In diesem Sinneaote Armee aufbauen!

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Bis zuletzt hatte ich gehofft, daß der Herr Landesdenkmalpfleger, die DEHOGA oder der ortsübliche Bratwurstfreund die Barbarei verhindern würden, die angestammten Imbißbuden auf dem Bahnhofsvorplatz „abzuwickeln“, um dort die neue pen-nerfreie Zone des frei flottierenden Bummelpublikums zu installieren. Wenn jetzt aber selbst ein ausgewiesener Kopfarbeiter wie Zementsenator Bernd Schulte von eigener Hand einen Spatenstich zelebriert, wird die Sache offenbar ernst. Was tun? Wo bleibt Lenin, wo die rote Zora? Jeder Grillspieß muß zur Waffe werden, und auf der glühenden Holzkohleasche muß das pervertierte Planergezücht den meditativen ChaChaCha der Selbsterkenntnis tanzen lernen: Hat man denn in dieser Stadt ganz und gar vergessen, daß die Bratwurst auffe Faust sogar im Erlebnis–Package der hanseatischen Fremdenverkehrswerbung als Element bremischer Identität enthalten ist? Das wird böse enden...

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Ein Hilferuf in eigener Sache: Diverse Termine, Rufnummern und sonstige Infos zu verschiedenen Lesungen, Karfreitagspredigten und anderen Darbietungen des Endesunterzeichneten sind im Rahmen eines verzweifelten Versuchs zur Schaffung von Ordnung verloren gegangen. Die betreffenden Veranstalter, Weltverbesserungsinstitute und Kombattanten im Kampf gegen das bekannte Unwesen werden hiermit herzlich gebeten, sich ab Sonntag noch einmal unter Agent der Telekom auftritt!

Ulrich „Wirrkopf“

Reineking