Press-Schlag: Otto's coming home
■ Ganz gewiß kein normales Spiel: Rehhagels Auftritt mit dem 1. FCK im Weserstadion
Also, wenn's nach Jens Todt geht, dann können sich die Bayern schon mal freuen – auf eine erneute Chance, die Lauterer doch noch einzuholen. „Die putzen wir“, da ist sich der Werder-Abwehrturm felsenfest sicher. So sicher, daß er sofort einschlägt, als ihm ein Bremer Gastwirt eine Wette anbietet. „Alles auf Sieg gegen den FCK, na klar.“ So viel Selbstvertrauen gab's selten beim SV Werder in den letzten Krisenjahren.
Gab ja auch kaum Grund dazu. Mehr als zwei Spielzeiten lang gurkten die grün-weißen Kicker mehr schlecht als recht in der Liga. Stürzten immer wieder ans Tabellenende ab, berappelten sich mühsam, hingen im tabellarischen Niemandsland fest, verschlissen zwei Trainer, immer weiter entfernt die Zeit, als Werder ein Abo auf die Teilnahme im einen oder anderen europäischen Cup-Wettbewerb hatte, lange her die Zeit des Erfolgs, die Zeit mit IHM – und nun soll's ausgerechnet gegen IHN, den Bremer Fußball- Übervater klappen?
Nein, das ist alles andere als ein normales Fußballspiel. Der Messias kehrt zurück ins ehemals Gelobte Land, das nach seinem Auszug 1995 lange magere Jahre erlebte. Otto's coming home, sein erster Auftritt im Weserstadion seit seiner tränentriefenden Abschiedsrunde. Als die Bayern im Jahr darauf zum Gastspiel an die Weser kamen, da war der große Meister an der Isar schon geschaßt, und Franz Beckenbauer grantelte auf der Bank. Aber wie haben sie ihren alten Trainer gerächt! Wie hat Andy Herzog damals aufgedreht, wie haben sie die Bayern damals mit 3:1 vorgeführt! Und wie haben die Bremer Fans damals gesungen: „Ohne Otto habt ihr keine Chance!“ Der Messias kehrt zurück – und schon redet in der Stadt kaum jemand mehr über den Triumph von Guildo Horn bei der Grand-Prix-Ausscheidung in der Bremer Stadthalle.
Bremen in Ottomania, der Meister heißt wieder Rehhagel, und die Medien überschlagen sich: Die Werder-Pressetribüne wird heute abend rekordverdächtig voll besetzt sein, Reporter lagern in Schwärmen vor dem Lauterer Mannschaftshotel, und weil's mit dem Meister selbst oder seinen roten Jungs eh kein Interview gibt, haben sich ganz Gewitzte schon ans Hotelpersonal rangemacht. Der Meister ist wieder da – und schon ist es ein bissel wie früher. Wie früher, als Rehhagel die Bremer Medienszene im Griff hatte und seine Spieler immer wieder abschirmte. „Nicht ich bin schwierig“, sagte er jetzt in einem Interview mit dem Werder Magazin. „Die Journalisten sind schwierig.“
Otto's coming home, und die Werder-Pressesprecherin Marita Hanke kann sich vor Anfragen kaum retten: Ob sich der Verein was Besonderes ausgedacht hätte? Ständchen vielleicht? Blumenstrauß? „Quatsch!“ wehrt die Pressesprecherin ab. „Das ist ein Spiel wie andere auch – irgendwie.“ Na ja, irgendwie dann doch auch wieder nicht. Nicht für das Bremer Publikum, das in den Krisenzeiten via Leserbriefspalten das Werder-Präsidium anflehte, IHN doch wieder zurückzuholen. Nicht für die Werder-Oberen, die tatsächlich immer mal wieder um ihren Otto gebuhlt haben. Und schon gar kein normales Spiel ist es für Otto Rehhagel selbst: „Ein großes Stück meines Lebens ist mit Bremen verbunden“, sagt er. Und er wird ganz sentimental, wenn er davon erzählt, wie er vierzehn Jahre lang mit „seinen Spielern“ gelebt und gearbeitet hat. „Aber in den anderthalb Stunden muß man alles verdrängen.“
Alles andere als ein normales Spiel gegen einen Tabellenführer. Und doch strotzt die grün- weiße Kickercombo vor Selbstbewußtsein. Schließlich hätte Werder schon in der letzten Woche in Dortmund gewinnen müssen. Wenn, ja wenn die grün-weißen Stürmer die fünf, sechs hundertprozentigen Chancen auch verwandelt hätten, bei denen mal Frings, mal Flo, mal Brand allein vor BVB- Keeper Klos aufgetaucht waren. Sie erspielen sich Chancen, weil sie – vorsichtig ausgedrückt – wieder Fußball spielen und nicht bei jedem Gegentor sofort die Hose voll haben. Und das ist schon ziemlich viel in der Post- Otto-Ära. Drum ist sich Jens Todt ja auch sicher. „Ganz klar. 100 Mark auf Sieg.“ Jochen Grabler
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