„Jetzt kommen die Retter von der Oder?“

■ betr.: „Dialog ist keine Einbahn straße“ (Bundeswehranzeigen in die taz, taz in die Kasernen!), taz vom 26.2. 98

[...] Die taz ist keine normale Zeitung, zum Glück. Die taz ist Sprachrohr, Zusammenhalt, Medium, Lebensmotto und Inhalt einer ganzen Bewegung, und das beschränkt sich nicht nur auf den politischen Sektor. Wenn Ihr das jetzt aufgebt, macht Ihr Euch überflüssig, weil Ihr das Besondere, das Unabhängige, das Alternative an Euch und Eurer LeserInnenstruktur mit über Bord schmeißt. [...]

Soldaten, die die taz in der Kaserne auslegen, bekommen sie also kostenlos. Und was ist mit mir? Muß ich erst Soldat werden, damit ich sie auch kostenlos beziehen kann? [...] Jason Krüger

Ich habe überhaupt keine Schwierigkeiten damit, daß Ihr die Bundeswehranzeige veröffentlicht. Die taz ist eben auch ein Wirtschaftsunternehmen, daß sich auf dem Markt behaupten muß. Außerdem halte ich uns LeserInnen für so mündig, daß wir auch durch eine Bundeswehranzeige nicht „vom Glauben abfallen“ und diese Art von Pluralismus durchaus ertragen können. [...] Holger Barkhau, Sickte

Zu Eurem Vorgehen gibt's nur eines zu sagen: Weitermachen, aber nicht strammstehen. Gerhard Jung, Nackenheim

[...] Nach der Imagekampagne für die Gentechnik und dem anschließenden Editorial, das klarstellte, daß keine militaristischen Anzeigen geschaltet würden, dauert es grad mal zwei Tage, bis eine Imageanzeige der Bundeswehr dieses Kriterium nicht mehr erfüllt. Und Montag will dann die NPD eine Anzeige schalten, daß sie nicht gegen Ausländer, sondern für Deutsche sei.[...]

Tatsächlich dient diese Pseudo- Gegenmeinung (es ist immer noch Rühes Meinung, jedoch in der taz gedruckt) nur dazu, die Bundeswehr wieder salonfähig zu machen. An tatsächlicher Auseinandersetzung mit einem antimilitaristischen oder sonstigem Standpunkt besteht gar kein Interesse. Die rechtsnationalen Tendenzen sollen nur wieder soweit unter die Oberfläche verschwinden, bis die Boulevardmedien daran keinen Anstoß mehr nehmen. [...] Arend Streit, Carsten Wanke

[...] Ich bin durchaus dafür, auch kontroverse, andere Meinungen zur Kenntnis zu nehmen (Eure Zeitung ist eine Garantie dafür), aber: laßt Euch nicht bestechen! Das Minimum, was Ihr dagegen tun könntet: neben jede derartige Anzeige einen kritischen Kommentar. Sbriglione, G. Marco, Hannover

Was habe ich gelacht. Die starke Truppe bekommt ihre eigene Werbung, quasi als Wichsvorlage, von der taz zurück. Und das umsonst. Soli-Abos in die Knäste, weil die taz so scharf ist, bezahlt von Gutwilligen – Freiabos in die Kasernen, bezahlt mit Rühes Propaganda, warum eigentlich? Doch dann bleibt mir das Lachen im Halse stecken, „der Vorstand hat beschlossen“.

So verschieben sich die Gewichte. Die taz, so leichtfüßig, daß man ihre Tazze im Titel kaum noch wahrnimmt, sucht sich eine neue Leserschaft. Schluß mit den elenden Rettungskampagnen. Jetzt kommen die Retter von der Oder.

[...] Da werd' ich mir meine Mundpropaganda für eine taz- Ruhr sparen, denn eine taz-Rühe kann ich nicht mehr glaubwürdig vertreten. [...] Jochen Schwarz

Klar, laßt doch den Volker Anzeigen schalten! Erstens bestätigt Ihr damit die Mündigkeit Eurer LeserInnen, die sich selbst eine Meinung bilden können, und zweitens muß man das Geld nehmen, von denen die zuviel haben, und drittens ist es bei Euch viel besser aufgehoben. Und viertens solltet Ihr den Gegenangriff „taz in die Kasernen“ unbedingt durchziehen. Gundula Bischoff

Ich lese die taz seit es sie gibt, nur, wenn ihr anfangt, Werbung für den Kriegsdienst zu machen, überlege ich mir echt, ob ich die taz noch kaufen soll. [...] Josef Krusche, Oberhausen

Ich finde Eure Entscheidung zu den Bundeswehranzeigen trotz Bauchschmerzen richtig. [...] Frank N. Stein

Unabhängig davon, ob ich Eure Entscheidung für „richtig“ oder „falsch“ halte, wundert mich das Tempo Eurer Entscheidungsfindung. Am 24.2., also vor zwei Tagen, schreibt Ihr auf Seite 14 unterzeichnet mit „Chefredaktion“: „Als Grenze haben wir definiert, daß Anzeigen keine rassistischen, sexistischen und militaristischen Inhalte vermitteln dürfen.“ Heute heißt es auf der Seite 1 im Namen von Chefredaktion (ist doch noch dieselbe, oder?) und Vorstand (liegt es daran?) etwas völlig anderes: „Junge Leute sagen darin, warum sie gerne in der Bundeswehr sind. (...) Der Vorstand hat jetzt entschieden: Ja, wir werden drucken.“

Ich wünsche Euch jetzt viel Spaß bei der LeserInnenbrieflut, die Euch erreichen wird, und frohes Abo-Droh-Kündigungsschreiben lesen. Andreas Streim, Trier

Selbstverständlich begrüße ich es, daß die taz auch Anzeigengelder von der Bundeswehr entgegennimmt. Ich wünsche mir, daß solche Gelder auch gezielt akquiriert werden. Der dauerhafte Erhalt der taz, ihr ökonomisches Überleben, ist mir wichtiger als das Empfinden der moralapostolischen LeserInnen. Hier gilt es schnöde abzuwägen, wer mehr zur ökonomischen Absicherung einer hervorragenden Zeitung beiträgt. Klaus Glatzel, Münster

[...] Wie wäre es, in Anpaßung an finanzielle Gegebenheiten, wenn Sie mit der gleichen Begründung auch Anzeigen von Schönhuber, der DVU, der KWU, gentechnikfetischistischen Konzernen ins Blatt nehmen würden? Dies wäre auch eine Form des Dialoges, und der redaktionelle Teil könnte weiterhin kritisch berichten.

Mir scheint, Sie sitzen mit Ihrer Interpretation von „Dialog“ in einem anpasserischen Boot, das Gefahr läuft, das eigene Profil zu verlieren und in der Pressevielfalt unterzugehen. Dialog ist eine Sache – Werbung für derartige Dinge eine andere. [...] Hans-Joachim Werner

Ein Blick in die Bilanzen und schon der Einsicht gewahr: krasse Ablehnung ist plump! Überzeugung ist die wahre Herausforderung des kritischen Organs. Wohlan!

Wir würden uns über eine kostenlose Zusendung der taz freuen und sie selbstverständlich für unsere studierenden Offiziersanwärter und Offiziere auslegen – fragen uns jedoch besorgt, ob dieses Angebot die taz nicht in den endgültigen Ruin treiben wird? Daniel Jansen,

Heinrich von Gyldenfeldt,

FB Päd, Universität der

Bundeswehr, Hamburg

Korrupt wird man schneller als man denken kann und oft ohne es zu merken oder gar zu wollen. Eine harte, aber leider nur zu wahre Feststellung. Genau das droht Euch am Ende dieses vermeintlichen Dialoges. Man gewöhnt sich nämlich sehr schnell an Einnahmen und (ver-)braucht sie dann auch. Bei „Liebesentzug“ (oft genügt schon die Andeutung), hat man dann meist nur mehr die Wahl zwischen ehrenhaftem Tod oder... Und schon ist es passiert. Ganz heimlich still und leise. [...] Georg Pichler, Lichtenstein

[...] Die Frage ist nicht: Glaubt die „ausnehmend kritische Leserschaft“ der taz den Inhalten solcher Anzeigen, sondern, ist eine taz glaubhaft, die solche Anzeigen druckt? [...] Sebastian Sooth

Als Genossenschafter und ehemaliger Zivildienstleistender habe ich keine Probleme damit, wenn das BM für Verteidigung unsere Zeitung durch Bezahlung von Werbeflächen unterstützt, denn den taz-LeserInnen unterstelle ich mal, daß sie selber denken können. [...] Jürgen Müller, Hannover

[...] Wir können uns schon denken, daß die Auftraggeber dieser Anzeigen die taz-Öffentlichkeit suchen. Schließlich stellt das Erscheinen einer Bundeswehranzeige in einer als kritisch geltenden Zeitung für sie eine satte Image- Verbesserung dar – für die Bundeswehr wohlgemerkt, nicht für die Zeitung. [...] AStA der TU Berlin

Ich bin geschockt über eure heuchlerische oder absolut naive Argumentation, daß Ihr zulaßt, „daß in bezahlten Anzeigen auch Meinungen vertreten werden, denen wir im redaktionellen Teil grundsätzlich widersprechen“, daß dies aber gleichzeitig „wohlgemerkt, keine Anpassung der redaktionellen Inhalte bedeutet.

[...] Wer sind die nächsten? Verhandelt Ihr bereits über Wahlkampfanzeigen von Kanther, der darin den taz-LeserInnen von „aufrechten Deutschen“ erzählen läßt, wie gut es sei, kurdische oder algerische AsylbewerberInnen wieder in ihre heimatlichen Krisengebiete zu schicken, wo sie von Unterdrückung, Folter und Mord bedroht sind? Anschließend könnte vielleicht die Kasse weiter klingeln, wenn die Rüstungsindustrie ihre Waffenlieferungen für den türkischen Krieg gegen die Kurden in taz-gerechten Worten und Farben verteidigt? Auf die Art und Weise könnt Ihr vielleicht eine ganze Anzeigenserie gewinnen und besser mittelfristig planen – wohlgemerkt, ohne die redaktionellen Inhalte anzupassen! [...] Peter Püschel, Hamburg