Chinas Regierung will den schlanken Staat

■ Der scheidende Ministerpräsident Li Peng eröffnet strahlend den Nationalen Volkskongreß. Sein designierter Nachfolger, der Wirtschaftsreformer Zhu Rongji, schaut nur müde zu

Peking (taz) – Wer gestern den scheidenden Premier Li Peng und seinen designierten Nachfolger Zhu Rongji auf dem Podium des Nationalen Volkskongresses sah, bekam den Eindruck, nicht der neue, sondern der alte Regierungschef sei der Mann der Stunde. Hardliner Li, der die Eröffnungsrede der jährlichen Parlamentstagung hielt, wirkte gelassen und im Vollbesitz seiner Kräfte. Zhu hingegen, der liberale Wirtschaftsreformer, erschien angeschlagen, zerbrechlich und unwirsch. Kein Lächeln ging über seine Lippen, während Li die knapp 3.000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes anstrahlte.

Gestern war es Li Peng vorbehalten, jene Reformen zu verkünden, die eigentlich die Handschrift Zhus Rongjis tragen. „Diese Reform beinhaltet größere Veränderungen für die Menschen und Institutionen Chinas als alle ähnlichen Reformversuche zuvor“, verkündete Li. Deutlich wurde er nur in bezug auf die Pekinger Ministerien. Nur 29 von 40 sollen die Reform überleben. Der Rest kann als Unternehmen weiterexistieren, hätte aber keinen Einfluß auf die Regierungsgeschäfte mehr.

Die Verwaltungsreform bildet das wichtigste Maßnahmenpaket des diesjährgen Volkskongresses, der vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise in Asien ein kontinuierliches Wachstum in China sichern will. Li verspricht für 1998 Jahr ein Wirtschaftswachstum von acht Prozent bei einer Inflation unter drei Prozent. Um einen Wirtschaftseinbruch zu verhinder, will Peking dieses Jahr Darlehen in Höhe von 32,5 Millionen US-Dollar aufnehmen und damit die Liquidität der vier größten Staatsbanken sichern. Sie gelten als faktisch bankrott, weil sie ihre Kredite an notleidende Staatsunternehmen verteilten, ohne dabei auf deren Rückzahlungsfähigkeit zu achten.

Beobachter halten es für möglich, daß China seine Wachstumspläne einhält und Fortschritte beim Umbau der Banken erzielt. „Die Darlehensausgabe könnte für dieses Jahr ausreichen, aber sicher nicht darüber hinaus“, warnt der Ökonom der Shanghaier Sozialakademie, Wang Lingyi. Doch die Sorgen über eine Überschuldung des Staatshaushaltes wachsen, da eine unabhängige Überprüfung der staatlichen Devisenreserven nicht garantiert ist.

Beim Volkskongreß geht es jedoch nicht um wirtschaftspolitische Details, dafür um große Zahlen. „Die gesamte Länge der neugebauten Eisenbahnlinien betrug 11.344 Kilometer, die Länge der Autobahnen stieg um 4.083 Kilometer, die Zahl der neuen Telefone um 101 Millionen“, vermeldete Li für 1997. Das sind Zahlen, die Chinas Volksdelegierte verstehen. 70 Prozent von ihnen sind in der Kommunistischen Partei. Ihr Applaus war groß. Georg Blume