Bald ein Stern mehr auf der Flagge der USA?

■ Der US-Kongreß eröffnet Puerto Rico die Möglichkeit zum Beitritt als 51. Bundesstaat

Washington (taz) – Nach elfstündiger Debatte hat das US- amerikanische Repräsentantenhaus mit nur einer Stimme Mehrheit entschieden, der Karibikinsel Puerto Rico den Beitritt zur USA als 51. Bundesstaat in Aussicht zu stellen. Sollte die Gesetzesvorlage auch im Senat verabschiedet werden – was zur Zeit unwahrscheinlich ist –, müßte der Präsident einen Zehnjahresplan zur Transformation Puerto Ricos in einen Bundesstaat vorlegen, und auf der Insel selbst würde eine Volksabstimmung die 3,5 Millionen Bewohnern vor drei Alternativen stellen: den Beitritt zur USA als 51. Bundesstaat, die Erhaltung des gegenwärtigen Status als US-Besitzung oder die Unabhängigkeit.

In der letzten Abstimmung dieser Art im Jahre 1993 sprachen sich 48,6 Prozent der Insulaner für den Status quo, 46,3 für den Beitritt zur USA und 4,4 Prozent für die Unabhängigkeit als eigenständiger Inselrepublik aus. Die Insel fiel vor 100 Jahren am Ende des Spanisch- Amerikanischen Krieges an die USA. Seither wird sie durch einen „Commissioner“ ohne Stimmrecht im Repräsentantenhaus vertreten.

Die elfstündige Debatte konzentrierte sich auf einen Nebenaspekt. Republikanische Abgeordnete hatten sie zum Schlachtfeld des Sprachenstreits gemacht, der in den USA um so heftiger wird, je mehr der Anteil der spanischsprechenden Bevölkerung steigt. Puerto Rico, argumentierten die Abgeordneten, sollte nur dann der Beitritt ermöglicht werden, wenn Englisch offizielle Landessprache der Insel würde – eine Zumutung für deren Bewohner.

„Wir werden es mit einem amerikanischen Quebec zu tun bekommen“, warnte der republikanische Abgeordnete Solomon aus New York. Nicht die Sprache sei es, die Amerika in den letzten 200 Jahren zusammengehalten habe, entgegnete Don Young, Republikaner aus Alaska, sondern die demokratischen Ideale der USA.

Der Einsatz für das Englische als offizieller Sprache der USA ist unter US-amerikanischen Anglos populär, doch kommt er seinen Fürsprechern möglicherweise teuer zu stehen, denn die Hispanics sind die am schnellsten wachsende Wählergruppe.

Bei der Frage nach dem Beitritt geht es auch um die Abwägung neuer Steuereinnahmen gegen die Kosten möglicher Sozialprogramme für eine Insel, deren Durchschnittseinkommen unter dem der USA liegt. Widerstand gegen den Beitritt Puerto Ricos kommt auch von Puertoricanern selber, die mit dem gegenwärtigen Status nicht schlecht leben.

Welches möglicherweise das eigentliche Problem des Beitritts ist, ließ der Abgeordnete Wicker aus Mississippi durchblicken. „Eines Tages werden die Amerikaner mit einem 51. Stern in der Flagge aufwachen, ohne sich je mit der Frage beschäftigt zu haben.“ Tatsächlich wird hier eine Frage von nationaler Tragweite entschieden, ohne daß es darüber je eine öffentliche Debatte gegeben hätte. Dabei ist den US-Amerikanern die Frage, was zu den USA gehört und was nicht, eigentlich heilig. Zudem die Sache auch ganz praktische Konsequenzen hat: Als die USA noch 48 Bundesstaaten hatte, konnte in der Tat jedes Kind das Sternenfeld mit sechs mal acht Reihen zeichnen, seit Alaska und Hawaii dazukamen, hat sich die Heraldik einiges einfallen lassen müssen, und wie man 51 Sterne aufteilt, ohne Aussehen und Proportion der Stars and Stripes gründlich zu verändern, dürfte ein mathematische Kopfnuß sein. Peter Tautfest