Bahn fährt wieder in die Verschuldung

Weniger Fahrgäste, stagnierender Gewinn und steigende Preise kennzeichnen die Bahn vier Jahre nach der Privatisierung. Chef Ludewig will mit neuen Sonderangeboten mehr Kunden locken  ■ Aus Berlin Matthias Urbach

Kommt man bald per Bahn auf langen Städteverbindungen täglich auch ohne Bahncard für 99 Mark ans Ziel? Mit solchen oder ähnlichen Sonderangeboten will Bahnchef Johannes Ludewig noch dieses Jahr Kunden von der Autobahn zur Eisenbahn locken. Ähnlich den Last-Minute-Angeboten bei Flugzeugen könnten dann ein- oder zweihundert Fahrkarten pro Zug billiger angeboten werden. Details stehen aber noch nicht fest, sagte Ludewig gestern auf der Jahrespressekonferenz in Berlin.

Solche Kampfpreise gingen allerdings zu Lasten anderer Sonderangebote. Es gehe darum, durch den billigeren Verkauf von Plätzen in schwächer besetzten Zügen die Auslastung zu verbessern, erklärte Ludewig. „Wir müssen deshalb wegkommen von pauschalen Angeboten wie Wochenendtickets.“ Unter dem Strich will die Bahn die Preise ab 1. April um 1,8 Prozent erhöhen.

Enttäuschend für die Bahn entwickelte sich im vergangenen Jahr der Personenverkehr: Die Beförderungsleistung ging um zwei Prozent zurück. Im Geschäftsbericht 1996 hieß es noch zuversichtlich: „Das Wirksamwerden neuer Angebote der DB AG wird den Fern- und Nahverkehr weiter stimulieren.“ Doch daraus wurde nichts. Ludewig begründet den Rückgang mit der schlechten Wirtschaftslage, die war allerdings 1996 auch schon übel. Immerhin ist der Autoverkehr 1997 um ein halbes Prozent gewachsen, der Luftverkehr gar um sechs Prozent. Ludewig hofft dieses Jahr auf Besserung, nicht zuletzt wegen der Einweihung der ICE-Trasse Berlin–Hannover.

Freundlicher sieht die Lage beim Güterverkehr aus: Hier transportierte die Bahn 1997 stolze 7,5 Prozent mehr. Per Lastwagen wurden 1997 allerdings acht Prozent mehr Waren geliefert. Leider sind die Preise im Güterverkehr 1997 durch den Konkurrenzdruck deutlich gesunken. So verdiente die Bahn 1997 ein Sechstel weniger als im Verjahr: Das Konzernergebnis sank auf eine halbe Milliarde Mark. Der Umsatz stieg 1997 nach den vorläufigen Zahlen leicht um 0,8 Prozent auf 30,5 Milliarden Mark. Faktisch ist das ein Plus von einem Prozent, wenn man die Aufgabe des Stückgutgeschäftes berücksichtigt. Für 1998 rechnet Ludewig mit zwei Prozent mehr Umsatz, aber stagnierendem Betriebsergebnis.

Die Bahn möchte dennoch an ihrem geplanten Investitionsprogramm von 80 Milliarden Mark von diesem Jahr bis 2002 festhalten. Dazu muß sie sich erneut Geld pumpen: Dieses Jahr will die Bahn mindestens eine Milliarde Mark als Anleihe auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. Obwohl die Bahn zur Reform im Jahr 1994 völlig entschuldet gestartet war, hat sie jetzt wieder 3,1 Milliarden Mark Schulden bei Privaten und 14,4 Milliarden Mark zinslose Kredite beim Staat. Dazu kamen bereits 1996 weitere Verbindlichkeiten von sechs Milliarden Mark. Langsam muß die Bahn die ersten Kredite abstottern. Das wird auch dieses Jahr nicht ohne Jobabbau gehen.

Die Bahn leidet darunter, daß die staatliche Unterstützung für die Schiene im europäischen Vergleich mickrig ist: Nirgendwo sind daher die Trassengebühren so hoch wie hier. Offiziell läßt Ludewig auf seinen Gönner Helmut Kohl nichts kommen. Doch die Kosten drücken. Also bat er nun die EU-Kommission, den vom Bund verursachten Wettbewerbsnachteil zu überprüfen. Vielleicht erledigt ja Wettbewerbskommissar van Miert den Rest.