Rühe: Hart an der Wahrheit vorbei?

■ Staatssekretär nährt Zweifel an Ministeraussage

Bonn (taz) – Volker Rühes Staatssekretär Peter Wichert hat mit seinen Aussagen vor dem Bundeswehr-Untersuchungsausschuß den Verdacht genährt, daß der Verteidigungsminister im Dezember 1997 Parlament und Verteidigungsausschuß über seinen damaligen Kenntnisstand in der Roeder-Affäre nicht die Wahrheit gesagt hat. Im Zentrum des Interesses stand damals die Frage nach dem Umfang der Kontakte zwischen dem Rechtsterroristen Manfred Roeder und der Bundeswehr.

Wichert hat gestern vor dem Ausschuß erklärt, detaillierte Informationen über diese Kontakte, die ihm das Führungszentrum in einem Vermerk vom 9. Dezember zusammen mit einer Chronologie zukommen ließ, seien zu diesem Zeitpunkt „Allgemeinwissen“ gewesen.

Volker Rühe hatte mehrfach beteuert, er habe vor dem 10. Dezember nicht gewußt, daß ein Zusammenhang zwischen Roeder und dem „Deutsch- Russischen Gemeinschaftswerk“ für Bundeswehrangehörige erkennbar gewesen sei. Die heute auf den ersten Blick belanglos erscheinende Zeitspanne von nur einem Tag gewinnt im Rückblick höchste Brisanz. Am 10. Dezember befaßten sich erstmals seit Bekanntwerden der Roeder-Affäre Verteidigungsausschuß und Bundestag mit der Angelegenheit. Rühe war nach eigenem Bekunden damals nur bruchstückhaft über die Vorfälle informiert. Er wäre unter noch erheblich größeren Druck geraten, hätten die Abgeordneten schon zu diesem Zeitpunkt gewußt, daß Roeder mit verschiedenen Abteilungen der Bundeswehr korrespondiert hatte oder sogar persönlich dort erschienen war. Diese Informationen gehen aus dem Vermerk des Führungszentrums und der beigefügten zweiseitigen Chronologie unmißverständlich hervor.

„Gehen Sie mal davon aus, daß ich ihn am selben Tag hatte“, antwortete Staatssekretär Wichert gestern auf die Frage, wann er den Vermerk vom 9.Dezember gelesen habe. „Ich hatte volle Kenntnis von der Chronologie und habe den Vermerk sehr sorgfältig gelesen.“ Den Vermerk habe er an den Minister nicht weitergereicht, da dieser seiner Ansicht nach Rühe keine „zusätzlichen Kenntnisse“ gebracht habe. Rühe habe sich „sehr sorgfältig“ auf die Ausschußsitzung vorbereitet. Ob er dem Minister die Chronologie gegeben habe, daran konnte sich Wichert gestern vor dem Ausschuß nicht erinnern. Am 11. Dezember letzten Jahres hatte Volker Rühe Vorwürfe vehement zurückgewiesen, er habe Parlament und Ausschuß belogen. Bettina Gaus

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