Antworten auf Letzte Fragen

Was macht der Wind, wenn er nicht weht? (21.2. 98)

Was macht der Wind, wenn er nicht weht?/ Glaub' wohl, daß er dann schlafen geht/ in einem Baum bei mir vorm Haus/ – wie Hund und Katze, Mensch und Maus,/ wenn sie vom Tagwerk müde sind/ und Sandmännchen sein Werk beginnt.

Ist er erschöpft vom vielen Wehen,/ kann ich ihn abends manchmal sehen,/ manchmal auch spät erst in der Nacht,/ wie er ganz leise, still und sacht/ hinaufsteigt bis zu einem Loch,/ das dort ist, wo ein Ast einst broch./ Da weht er rein und geht zur Ruh'/ und macht die Tür hinter sich zu.

Lang hält's ihn nicht an dieser Stelle/ – er ist ein rastloser Geselle./ Meist ist der Tag noch kaum gekommen/ da weht er raus, noch ganz benommen/ reckt sich und frühstückt Ei mit Speck,/ fegt um die Ecke und ist weg.Thomas Mahn, Wehrheim

Er holt Luft.Johann Maxwlcek, Wien

Wenn er nicht weht, dann geht der Wind spazieren. Wenn er nicht weht, ist er bei seiner Freundin. Er küßt sie sanft und regt sich kaum dabei. Vielleicht ist sie's, die ihm den Nacken streichelt. Er sitzt ganz still und hält den Mund. Er spitzt die Lippen nicht und pfeift kein Liedchen. Wenn er nicht weht, hat er zum Blasen keine Lust. Vielleicht schläft er eine Woche, vielleicht denkt er am Montag: Donnerstag werd' ich mich wieder regen, aber vorher tu' ich nichts. Der Wind ist auch mal aus der Puste, aber nicht weht er nur selten.Sabine Kurpiers, Berlin

Darauf gibt es nur eine logische Antwort: Er macht eine Atempause.Rainer Olschewsky, Bochum

Hat er sich bloß gedreht? Hat er sich in Windeseile als Hülsenfrucht getarnt und bläht gerade irgendwelche Därme, aus denen er dann später wieder abgeht? Ist er in einen Fang geraten? Liegt er mit Pocken im Bett? Hockt er mit seinem Kumpel Wetter in der Mühle und pfeift sich eins? Vielleicht muß er sich bloß mal frischmachen, weil er noch mit der Windsbraut säuseln will... ein paar Windröschen dabei... müssen ja nicht alle Wind davon bekommen...Folkert Elbrechtz, Lüneburg

Nachdem er sich gelegt hat, macht er mit der Windsbraut ein Kind, Sturm genannt.Gerd Neurath, Saarbrücken

Zunächst ist zu unterscheiden, ob der Wind das Wehen schon hinter oder noch vor sich hat. Vor dem Einsetzen des/der Wehen handelt es sich um einen ungeborenen Wind. Ob hier schon von einem Wind im eigentlichen Sinn gesprochen werden kann und wie ggf. mit diesem umzugehen sei, ist medizinisch, juristisch, ethisch und politisch höchst umstritten. Wer je mit Winden schwanger ging, weiß aber, welche Schmerzen sie verursachen können, gerade wenn sie noch nicht wehen. Setzt das Wehen ein, wird dies meist als erleichternd empfunden und oft von entsprechenden Ausrufen („Aaah!“) begleitet. Die Umwelt dagegen reagiert vielfach mit Unverständnis und Kritik. Wie sich dies auf Seelenleben und nachgeburtliches Verhalten des Windes auswirkt, ist noch wenig erforscht. Es scheint aber, daß linear-kausale Erklärungsmodelle den Phänomenen nicht gerecht werden – das von progressiven Kräften postulierte „es stinkt nur deshalb, weil die Umwelt kein Verständnis hat“ ebensowenig wie die konservative Gegenthese. Eine systemische Betrachtung kann hingegen komplexe zirkuläre Wirkungszusammenhänge aufzeigen, die zu erläutern hier aber zu weit führten.

Die Frage, ob es für Winde ein Weiterleben nach dem Tod gibt, wenn ja, in welcher Form, und schließlich: was diese dann machen, wird von den Weltreligionen sehr unterschiedlich beantwortet. Auch die Wissenschaft konnte bis heute keine endgültige Klärung herbeiführen. Der moderne, aufgeklärte Mensch wird sich in dieser Frage mit einer letzten Ungewißheit abfinden müssen.Hannes Classen, Hamburg

Was soll er schon machen? Den Nachwuchs versorgen. Man nennt das auch Wind-stillen.Siegmar Daume, Eilenburg

Der Wind ist eine mögliche Erscheinungsform der Luft: Weht die Luft, sprechen wir von Wind; weht sie nicht, liegt demnach kein Wind vor. Oder anders: Wind weht immer. Tut er es nicht, ist es keiner. Die Vermutung, Wind könne etwas tun, wenn er nicht weht, ist also – so traurig dies für RomantikerInnen auch sein mag – gegenstandslos.Christoph Gilleßen, Kassel

Es gibt für den Wind keine Alternative als das Wehen, um zu existieren. Das Wehen ist keine Wahlmöglichkeit. Man könnte nun annehmen, daß der nicht wehende Wind nur in unserer Realität nicht existiert, dafür aber in einer anderen. Das ginge dann aber doch zu weit.Jan Heider, Paderborn

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Soll man das Beste zuerst oder zuletzt essen? (27.2.98)

Die Frage ist tendenziös und muß zurückgewiesen werden. Man sollte NUR das Beste essen.Michael Rücker, Hamburg, i.A.

für Marie-Laure Cuny, Singapur

Man sollte das Bessere zuerst zu sich nehmen. Ißt man nämlich das Schlechtere zuerst, könnte man danach schon satt sein bzw. könnte einem bereits der Appetit vergangen sein. Für die umgekehrte Reihenfolge spricht natürlich die zeitlich gedehnte Vorfreude auf das Bessere; sollte es sich dann nicht als besser erweisen, hatte man wenigstens die Vorfreude.Marius Müller, St. Wendel

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Warum halten sich die Leute auf Parties nach einer Weile nur noch in der Küche und nicht mehr im Wohnzimmer auf? (27.2. 98)

Das hängt mit der Single-Gesellschaft zusammen: Die Küche mit ihrer lebenserhaltenden Funktion ist der imaginäre Hort der verlorenen Wärme (Herd = Mama / Kühlschrank = Papa oder vice versa). Nur von dort aus kann die Welt begriffen und erforscht werden. Das Wohnzimmer symbolisiert das Alter (Sofa = Oma & Opa) und ruft instinktiv Ängste hervor. Der Schlüssel zum Verständnis ist das verbindende Glied, denn wie immer im Leben ist natürlich der Weg das Ziel: Der letztlich unvermeidliche Gang zum Bier führt nämlich über den Flur, und bekanntlich finden in dieser meist schummrigen Übergangszone die entscheidenden Begegnungen auf jeder Party statt. Und nur von dort aus ist dann ggf. auch das Schlafzimmer der ohnehin anderweitig beschäftigten Gastgeber zugänglich.Michael Rücker, Hamburg

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Warum wird in Sach- und Fachbüchern immer auf einen anderen Begriff verwiesen, anstatt einfach die Seitenzahlen anzugeben? (27.2. 98)

Klarer Fall von Outsourcing: Für falsche Seitenverweise wird der Verlag verantwortlich gemacht, für verkehrte inhaltliche Bezüge die AutorInnen. Und da Verlage bei Neuauflagen einerseits bekanntlich gern vergessen, die Querverweise zu aktualisieren, andererseits aber auch das Porto für beschwichtigende Antwortschreiben auf empörte Kundenbriefe sparen möchten, lagern sie das Problem aus und zeigen den AutorInnen ihre Wertschätzung, indem sie ihnen die verantwortungsvolle Aufgabe der Erstellung textueller Verweise übertragen. Im Fall des Verlagswechsels nehmen die den Zorn der LeserInnen auf diese Weise praktischerweise gleich mit.Michael Rücker, Hamburg