Slobodan Milosević kann erst einmal abwarten

■ Angesichts der Kosovo-Krise droht der Westen. Ein Konzept für das weitere Vorgehen fehlt

Genf (taz) – Das Szenario erinnert stark an die Wochen vor Beginn des Bosnienkrieges im April 1992. In den letzten neun Jahren seit Aufhebung der Autonomie des Kosovo durch Slobodan Milosević hat die „internationale Gemeinschaft“ die Unterdrückung der albanischen Mehrheit der südserbischen Provinz und die Appelle der gewaltfreien Protestbewegung um Unterstützung weitgehend ignoriert. Jetzt, da der Konflikt mit offener Gewalt ausgetragen wird, erhebt sich ein lautes internationales Stimmengewirr. Die EU, Klaus Kinkel, Rußland, die USA, Griechenland, die Türkei und Bulgarien – alle mahnen zu Verhandlungen und zivilisiertem Dialog und warnen vor der Eskalation des Konflikts und einer Involvierung der Nachbarstaaten Albanien und Mazedonien. Die USA drohen sogar vorsichtig mit einer militärischen Intervention.

Am Montag will sich die „Balkan-Kontaktgruppe“ (USA, Rußland, GB, Frankreich, Deutschland, EU, Italien) erneut mit der Lage im Kosovo beschäftigten. Und die Schweiz bietet die Ausrichtung einer internationalen Kosovo-Konferenz in Genf an.

Die meisten Warnungen richten sich an die Führung in Belgrad. Doch die zeigt sich bislang völlig unbeeindruckt. Ihre Vertreter, wie der Botschafter Restjugoslawiens bei der UNO, weigern sich, selbst auf die Frage, ob die Wiederherstellung der Autonomie für Kosovo ein Verhandlungsthema sein könnte, zu reagieren. Die Aktion von serbischer Polizei und Armee am Donnerstag gegen mehrere Dörfer im Kosovo, gerade als der britische Außenminister Robin Cook bei Milosević vorsprach, war eine schallende Ohrfeige für den Ratspräsidenten der EU.

Davon, daß „der Westen“ oder andere internationale Akteure „Druck auf Serbien“ machten, kann keine Rede sein. Milosević kalkuliert, daß die Kontaktgruppe wegen der Umsetzung des Dayton- Abkommens weiter auf seine Kooperation angewiesen ist. Daher werden sie wegen des Kosovo längst nicht alle politischen und militärischen Druckinstrumente einsetzen, die ihnen theoretisch zur Verfügung stünden. Selbst wenn sich die westlichen Staaten um die Verhängung neuer UNO-Sanktionen gegen Restjugoslawien bemühen sollten, kann Milosević darauf rechnen, daß dieser Versuch im Sicherheitsrat am Veto von Russen und Chinesen scheitern würde.

Und den Hinweis von US-Sonderemissär Robert Gelbhard, daß die vor sechs Jahren von Präsident George Bush formulierte Drohung einer militärischen Intervention weiter gelte, braucht Milosević nicht allzu ernst zu nehmen. Auf die Frage, wie und mit welchem Ziel denn eine solche Intervention genau ablaufen sollte, gibt es in der Clinton-Administration keine klare Antwort. Und die politische Bereitschaft des US-Kongresses, neben dem Engagement von US- Streitkräften in der Golfregion und in der SFOR-Truppe in Bosnien noch eine militärische Operation im Kosovo zu billigen, dürfte heute geringer sein als vor sechs Jahren. Andreas Zumach