Der steilste Weinberg Europas in Berlin

Freitag früh, ein neuer Tag des Superlativs am Brandenburger Tor.

Das Objekt der Neugierde steht auf dem Pariser Platz, umringt von Pressefotografen, japanischen Touristen und einem müllmännlich-signalroten Arbeiter, der es mit abgeladen hat. Alle knipsen. Doch was? Einen überdimensionalen, grüngefärbten Dromedarhöcker? Einen Misthaufen, über den Gras gewachsen ist? PR-Frau Ute Engels macht „einen Vorschlag zur Bildunterzeile: Der steilste Weinberg Europas“. Genauer gesagt: ein Modell des Bremmer Calmont.

Auf jeden Fall ist es ein Gag, aus Anlaß der Internationalen Tourismus-Börse: Rainer Brüderle, stellvertretender Landesvater von Rheinland-Pfalz und Superminister (Wirtschaft, Verkehr, Weinbau und Tourismus), wirbt mit der seltsamen Plastik für seine Heimat. Zur Bekräftigung überreichte er Tina Hergenröder (21), Weinkönigin des Anbaugebietes „Mosel-Saar- Ruwer“, eine Urkunde, mit der die phänomenale Steigung dokumentiert wird.

Dennoch kamen Zweifel auf. Selbst der steilste Weinberg der Welt kann doch unmöglich so steil sein wie dieses Modell. Oder wird am Bremmer Calmont etwa am Seil gelesen? Engels klärte auf: „Hätten die Babelsberger Filmstudios es mit der originalen Steigung von 65 Prozent gebaut, wäre es für den Tieflader zu breit gewesen.“

Wichtiger als solche Kleinigkeiten ist, was hinter den Kulissen läuft: Die Connection Mainz–Babelsberg gibt es nämlich schon länger. Vor zwei Jahren lieferten die Kulissenbauer den Pfälzern die Plitficer Seen, inklusive Gips-Winnetou, weil Pierre Brice im Film dort sein Wigwam aufschlug.

Ein irisches Sprichwort lautet: Die Realität ist eine Illusion, die durch Mangel an Alkohol entsteht. – Diese Illusion ist wohl die einzige, die dem Land der Winzer und Weinbau-Minister mit Sicherheit erspart bleiben wird. Sven Hillenkamp

Foto: taz