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Klinsmanns Nervenprobe

■ Warum der Kapitän der DFB-Fußballer beim Arbeitgeber Tottenham Hotspur kündigt

London (taz) – Am Anfang der Partie beklatschte Jürgen Klinsmann aufmunternd jede noch so mißglückte Flanke seiner Mitspieler, jedem Fehlpaß schickte er ein „Auf geht's, Allan – weiter, Clive – paßt schon, Ruel“ hinterher. Gegen Ende des Spiels kehrte Klinsmann (33) seinen Mitspielern jedesmal abrupt und zornig den Rücken zu, wenn er erneut eine günstige Position gelaufen war und der Ball wieder nicht zu ihm kam. Als der Spielführer der deutschen Fußball-Nationalelf dann nach dem 1:0-Sieg seines Tottenham Hotspur über die Bolton Wanderers am Sonntag vor einer Woche schnell durch einen Seitenausgang verschwand, statt wie gewohnt vor der Spielerbar mit den Journalisten zu reden, konnte man erahnen, daß Endgültiges zerbrochen war.

Mit einer Woche Verspätung hat jemand aus der Mannschaft – anonym, wie das in England üblich ist – ausgeplaudert, daß Klinsmann auf dem Weg in die Umkleidekabine die Beherrschung verlor und Tottenham die Hoffnung, daß der Stürmer den Klub in bessere Zeiten führen würde. Klinsmann schrie seinen Schweizer Trainer Christian Gross an, er stelle die Mannschaft falsch auf, kein Ball komme zu ihm. Gross schrie zurück, was er überhaupt wolle.

Klinsmann, der bei seiner Ankunft im Dezember 1997 als Retter des abstiegsgefährdeten englischen Erstligisten gepriesen worden war, ging in die Kabine und sagte seinen Mitspielern, es täte ihm leid, er könne nicht mehr mit Gross zusammenarbeiten und werde im Juni, wenn die Saison endet, Tottenham wieder verlassen. „Gross und ich haben total unterschiedliche Auffassungen von Fußball“, sagt Klinsmann.

Tatsächlich kann man über Gross' Taktik streiten. Auch seine mißtrauische, pseudoharte Art, mit den Spielern umzugehen, ist nicht frei von Kritik. Es stellt sich aber auch die Frage: Kann es wirklich nur an den Trainern liegen, daß Klinsmann seit zwei Jahren ständig mit ihnen Ärger hat?

Schon länger hatte Klinsmann über Gross' Methodik und Taktik gemurrt. Zum Beispiel kritisierte er ihn bereits im Februar vor versammelter Mannschaft dafür, daß der französische Offensivspieler Ginola im Zentrum des Spiels eingesetzt werde. Klinsmann würde ihn lieber auf dem linken Flügel sehen. Das ist aus seinem persönlichen Interesse verständlich, weil Ginola dem Deutschen vom Rande des Spielfelds wohl viele Vorlagen liefern würde.

Ginola ist aber momentan Tottenhams torgefährlichster Spieler. Auch wenn er durch seinen Eigensinn etliche Spielzüge zerstört, muß ihn der Trainer in den Mittelpunkt der Mannschaft rücken. Tottenham kämpft gegen den Abstieg, da kann Gross nicht das Spiel auf Klinsmann zuschneiden, in der vagen Hoffnung, daß der seine alte Weltklasse-Form schon irgendwann wieder finden werde.

Sein Überblick und sein Arbeitsaufwand sind immer noch erstklassig, seinen Torschüssen jedoch mangelt es derzeit an Genauigkeit. Es ist richtig, daß ihm die Mitspieler nicht außergewöhnlich viele Chancen vorbereiten – genug, um mehr als ein Tor in bislang acht Spielen für Tottenham zu schießen, hatte er allerdings schon.

Schon immer war Klinsmann ein harter Arbeiter auf dem Spielfeld. Nun sieht er sich mit seiner härtesten Herausforderung konfrontiert: ein angemessenes Ende für seine lange und große Karriere zu finden. Ronald Reng Siehe Portrait Seite 13

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