„Lebenslang“ für Priebke und Hass

Richter schreibt die uneingeschränkte Schuld der beiden SS-Männer für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen fest. Die Hinterbliebenen ihrer Opfer sind froh  ■ Aus Rom Werner Raith

Die beiden Angeklagten waren vorsichtshalber nicht erschienen – sie rechneten wohl wieder mit einem milden Spruch, aber anschließenden heftigen Protesten der Zuschauer. Doch dann wirkten die Worte des Vorsitzenden im Saal des Hochsicherheitsgefängnisses am römischen Foro Italico wie Keulenschläge: „Lebenslänglich“ für Erich Priebke und Karl Hass, jene beiden SS-Männer, die 1944 zusammen mit dem schon bald nach dem Krieg verurteilten SS- Sturmbannführer Herbert Kappler 335 Geiseln hatten hinrichten lassen, als Rache für ein Attentat von Partisanen auf einen Polizeitransport.

Priebke war 1994 in Argentinien aufgespürt worden, wo er unter seinem richtigen Namen lebte, Hass 1996 eher durch Zufall – damals noch als Zeuge – in der Schweiz ermittelt worden.

Beide beriefen sich vor Gericht auf einen Führerbefehl, der für jeden von Partisanen ermordeten deutschen Soldaten oder italienischen Kollaborateur die Erschießung von zehn Geiseln anordnete. Kappler war seinerzeit nicht wegen der Geiselmorde an sich verurteilt worden, sondern lediglich deshalb, weil er statt der „zugelassenen“ 330 Menschen 335 hatten erschießen lassen.

Beim Prozeß gegen Priebke und Hass ging es darum, ob sich die SS- Männer hätten weigern können, diese Menschen umzubringen. Die erste Instanz hatte einen teilweisen Befehlsnotstand anerkannt und damit den uneingeschränkten vorsätzlichen Massenmord zum „normalen“ Mord herabgestuft, weshalb die Taten verjährt gewesen wären. Das Revisionsgericht hat dieser Auffassung widersprochen: Mord im Krieg verjähre grundsätzlich nicht. In der Wiederholung vor der unteren Instanz war Priebke dann zu 15, Hass zu 10 Jahren verurteilt worden, beide aufgrund mildernder Umstände. Da inzwischen mehrere Strafnachlässe für Kriegsverbrechen eingeführt worden waren, wurden zehn der als Strafe ausgesprochenen Jahre getilgt: Hass kam sofort in Freiheit, Priebke hätte noch gut ein Jahr brummen müssen.

Mit diesem vierten Urteil, das die uneingeschänkte Schuld der beiden festschreibt, ist der Rechtsweg allerdings noch nicht abgeschlossen: Beide wollen vor das oberste Gericht Italiens, die Kassation gehen (eine Anrufung des Verfassungsgerichts ist in Italien nicht möglich). Nach Einschätzung nahezu aller Beobachter wird die Kassation jedoch kaum mehr an dem Verdikt rühren.

Die etwa hundert im und vor dem Gericht versammelten Hinterbliebenen der Opfer und Vertreter von Verfolgtenorganisationen äußerten sich befriedigt über das Urteil, zeigten aber keinerlei Triumph oder Rachedenken. „Es ist ein Sieg auch der historischen Gerechtigkeit, der in die Geschichtsbücher unserer Kinder eingehen soll, zum Andenken an diese Menschen, die sinnlos in einem sinnlosen Krieg umgebracht wurden“, sagte die Tochter eines der Ermordeten.

In den nächsten Tagen muß das Gericht nun entscheiden, ob Priebke und Hass wieder zurück ins Gefängnis kommen. Priebke hatte bereits im Herbst 1997 mit allerlei ärztlichen Gutachten seine Entlassung und Überstellung in den Hausarrest durchgesetzt, dann aber durch Nichterscheinen zu Beginn der neuen Prozeßrunde eine vom Gericht angeordnete unangekündigte Visite von zwei Amtsärzten provoziert – und die hatten ihn bei guter Gesundheit gefunden.

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