Wenn sich die Seele austobt

Die Ermordung der Mutter und ein tonnenschwerer Skorpion in der Wüste: Das Traumbüro bringt Licht in nächtliche Visionen  ■ Von Lisa Schönemann

Der gute Sigmund Freud hatte zum Thema Träume seine feste Überzeugung. Zum Werdegang eines Psychotherapeuten gehöre eine alle fünf Jahre durchzuführende Traumanalyse. Doch auch die Seele des Normalsterblichen tobt sich mitunter nachts aus. Der letzte WG-Krach vermischt sich im Traum mit dem Untergang der Titanic, die noch dazu von Minikrokodilen bevölkert wird. Der Erwachende fragt sich am nächsten Morgen verwirrt: Was soll das jetzt wieder bedeuten?

Hilfe – in diesem Fall nicht nur gegen die Krokodile – bietet das Wandsbeker Traumbüro an. Das „Institut für psychologische Traumarbeit und Kreativitätsentwicklung“verspricht seinen Klienten Aufschluß über die Bedeutung der Trauminhalte. „Die Leute kommen zu uns, weil sie das Gefühl haben, daß ein kürzlich erlebter Traum einen bestimmten Hintergrund hat“, vermutet der Leiter des Traumbüros, Hartmut Ast. „Wir leiten nur das Gespräch. Was der Traum für den Einzelnen bedeutet, darauf kommt er im Verlauf der Unterhaltung ganz von allein.“

Szenen und Symbole der Träume sprechen für den Pastor und Familientherapeuten „eine erstaunlich klare Sprache“. In den nächtlichen Visionen werden auch schon mal moralische Hemmschwellen herabgesetzt. „Da kann man schon mal seine Mutter oder seine Katze umbringen“, weiß der Mann vom Traumbüro.

Niemand hat bisher so recht herausgefunden, wozu Träume dienen. Ast bezeichnet es als „Bestandteil der psychohygienischen Arbeit“, sich nächtens mit den Wirrnissen des Tages träumend herumzuschlagen. „Wer den Traum als seinen kostenlosen Therapeuten erkennt, kann viele Blockaden in seinem Leben auflösen und gezielte persönliche Entwicklungsschritte gehen“, verspricht der Hausprospekt. Zuvor sollte natürlich der professionelle Traumdeuter befragt werden – entweder telefonisch (40 Mark) oder persönlich (80 Mark).

Neben nächtlichen Grusel-szenarien oder Traumschiffkreuzfahrten werden im Traumbüro auch Tagträume und vorausschauende Themen bearbeitet. Am Telefon wurde Hartmut Ast vor einiger Zeit zum Beispiel mit einer Frau aus dem Ruhrgebiet konfrontiert, die geträumt hatte, daß ihr herzkranker Mann stirbt. In ihrer Kindheit hatte sie schon einmal den Tod eines Angehörigen „vorausgeträumt“. Der Pastor machte sich sogleich daran, herauszufiltern, welche Bedeutung der Traum hat. „Es gibt Menschen, die über eine sehr feine Intuition verfügen, mit der sie zukünftige Ereignisse erahnen können.“Der Ehemann lebt übrigens noch.

Für die kreative Arbeit mit der eigenen Vorstellungskraft bietet das Traumbüro auch Traumgruppen und (kunsttherapeutisch orientierte) Workshops an. Die Teilnehmer können sich beispielsweise mit geschlossenen Augen auf eine Phantasiereise einlassen: „Sie sind in der Wüste, und plötzlich kommt jemand auf Sie zu ...“Wem bei dieser Gelegenheit ein auf einem Kamel reitender Tuareg im blauen Gewand begegnet, der wird sich beim Verlassen des Traumbüros sicher glücklich schätzen. Sollte die nur in Umrissen erkennbare Erscheinung in der Ferne eher einem Skorpion mit einem Lebendgewicht von geschätzt vier Tonnen gleichen, besteht eventuell weiterer Klärungsbedarf.

Auf Wunsch kann man sich in Wandsbek auch zum Traumberater ausbilden lassen. Das Traumbüro ist neben dem in München das einzige seiner Art in der Republik. Die Traumgruppe Altona unter der Leitung von Voula Doulgeri trifft sich das nächste Mal am 17. März (