Gebührenpflicht für Hungerkunst

■ Gelbe Striche vor dem Museum Weserburg: KünstlerInnen fordern Ausstellungshonorare

Sie erwerben eine Kinokarte. Ein Teil Ihres Geldes geht an die SchauspielerInnen. Sie bezahlen das Ticket für eine zeitgenössische Oper. Ein Teil Ihres Beitrags kommt dem Komponisten zugute. Sie gehen in eine Ausstellung. Auch der Künstler geht – nämlich leer aus. Seit 24 Jahren wird diese Ungleichbehandlung beklagt. Der Berufsverband Bildender Künstler (bbk) unterstützte anfangs die Forderung nach „Ausstellungshonoraren“, und so manche AusstellungsmacherInnen griffen freiwillig in die Taschen. Doch in dürftigen Zeiten wackeln wie überall die längst erkämpften Positionen.

Mit einer bundesweiten Malaktion will Robin Art, der zuständige Arbeitskreis der IG Medien, das Anliegen vorantreiben: Landauf, landab pinselt er gelbe Streifen vor die jeweiligen städtischen Museen für Gegenwartskunst, teils mit, teils ohne Genehmigung von Polizei und Museum. „Vor dem Kasseler Fridericianum wurde der Streifen schön lang und dick“, meint die Robin Artistin Gabi. Vor der Weserburg manifestierte sich der künstlerische Unmut dagegen spärlicher.

Es geht um Gerechtigkeit. Vor allem geht es aber um eine Neubestimmung der Position des Künstlers in der Gesellschaft. Die heutige Stipendien-, Markt- und Museumslandschaft macht den Künstler zum dankverpflichteten Almosenempfänger – oder zum bewunderten Malerfürsten. Versager oder Baselitz: dazwischen gibt es wenig.

Andererseits wird Kunst immer öfter als Dienstleistung aufgefaßt. Mit allen Nachteilen und Vorteilen, die ein ökonomisch-pragmatischer Blick mit sich bringt. Einerseits muß dienstleistende Kunst munden wie die Pizza aus der Trattoria nebenan. Andererseits wird als Prämisse akzeptiert, daß es ein gesellschaftliches Bedürfnis nach Kunst gibt. Der Künstler ist dann nicht mehr ein Irrer, der seinen seltsamen Obsessionen hinterherhechelt, sondern ein wichtiges Glied der Gesellschaft. Das beinhaltet ein Recht auf Geld. Schließlich ist die Entlohnung aller anderen Beteiligten der Dienstleistung Kunst, von der AusstellungsmacherIn bis zur Museumsklofrau, selbstverständlich.

Die KünstlerInnen konnten die PolitikerInnen auf ihre Seite zerren. Auf die Forderung der IG Medien nach einer entsprechenden Ergänzung des Urheberrechts reagierten die kulturpolitischen SprecherInnen von der CSU bis zur PDS mit einsichtigen Goodwill-Bekundungen.

Weniger einheitliche, dafür umso interessantere Erfahrungen machte der dreiköpfige Robin-Art-Reisetrupp hingegen mit den MuseumskuratorInnen. Die einen solidarisieren sich deutlich. Die anderen betrachten sich selbst als DienstleisterInnen, allerdings nicht für den potentiellen Besucher, sondern als Marketingagentur für den Künstler. Frustierende Erfahrung für die Robin-Artisten. Irgendwie hofften sie ja, doch für das Volk da draußen zu malen und nicht nur für die Werttabellen in der „Wirtschaftswoche“. Als Drittes gibt es die schnieke gekleideten KunstvermittlerInnen, die, eingelullt in die Kuscheligkeit ihres monatlich gefüllten Gehaltskontos, Freiheit, Wagemut und Unabhängigkeit der KünstlerInnen propagieren. Peter Friese von der Weserburg ist einer von ihnen. Er wirft den KünstlerInnen eine unkünstlerische Anspruchs-Mentalität vor. „Früher waren wir froh, wenn die Stadt unserer Produzentengalerie die Möglichkeiten zum Druck von Plakaten zur Verfügung stellte.“Sein zweites Argument gegen ein Ausstellungshonorar: kein Geld. Ein verdammt unpolitisches Argument. Denn wo ein klarer gesellschaftlicher Konsens für die Unabdingbarkeit von Ausgaben ist, da ist auch Geld. Dahinter steht die Angst, daß das Geld nicht vom Verteidigungshaushalt abgezweigt würde, sondern vom Ausstellungetat der Museen. Jeder ist sich selbst der nächste. Barbara Kern