Das Portrait
: Quotengegner als Quotenopfer

■ Roger Willemsen

„Das ZDF hat sich entschlossen, mich unter Artenschutz zu stellen, ich bin von der Quotenvorgabe befreit.“ So freute sich Roger Willemsen noch vor sechs Monaten.

Er hat sich zu früh gefreut. Das Willemsensche Artenschutzabkommen gilt nur noch bis zum Juni. Das Konzept der Sendung habe sich erschöpft, sagt ZDF-Redaktionsleiter Manfred Tesch. Und noch etwas anderes machte Tesch für die Entscheidung verantwortlich: Den „Aufmerksamkeitsentzug“ für Willemsen seitens der Medien.

Er war längst eine feste Fernsehgröße geworden. Wo sonst schleuderte Frank Elstner sein Wasserglas auf den Studioboden (schön) und der Moderator seins gleich hinterher (eher schlecht)? Wo sonst wurde Focus-Macher Helmut Markwort so legendär vorgeführt? Eher mäßig dagegen der Einfall, eine „Quoten-Nackte“ durchs Bild wandern zu lassen.

Der Literaturwissenschaftler kam zum Fernsehen wie die Jungfrau zum Kind: Als ihn 1991 der Pay-TV- Sender Premiere entdeckte, besaß der Literaturwissenschaftler nicht einmal ein TV-Gerät. Nun besitzt er dafür den renommierten Adolf- Grimme-Preis in Gold. Doch schon bald traf der Quotendruck den erklärten Gegner des Quotenfernsehens: Hin und her verschob man den Sendeplatz, damit er am Ende doch wieder im Anschluß an „aspekte“ schläfrige Kulturinteressierte interessierte.

Vor gut einem Jahr kratzte der Spiegel lauthals am Image des hintergründigen Zynikers und verhöhnte den Mann, der gewiß so aussieht, als habe er noch nie einen Hammer in der Hand gehalten, als „säftenden Sitzzwerg“. Er sollte dennoch der wichtigste TV-Intellektuelle bleiben: Als die Sendeminuten von Friedrich Küppersbuschs „Privatfernsehen“ gezählt waren, schaltete sich Küppi den Roger in die Live- Sendung, um so lange über die Beinbehaarung von Küppersbuschs Freundin zu reden, bis der WDR nach einer Viertelstunde abschaltete. Bevor es bei Willemsens Wochentalk ähnliche Szenen gibt, läßt ihm das ZDF noch etwas Zeit. Außerdem werde er dem Mainzer Sender weiterhin erhalten bleiben. Darüber gebe es „feste Vereinbarungen“. Ein Glück für den softigen Riesen: Schließlich, so sagt er, bekäme er wahrscheinlich im deutschen Fernsehen „außer beim Frauensender TM3 kein Showangebot mehr“. Christoph Schultheis