Denkzettel für Samper bei Wahlen in Kolumbien

■ Die beiden großen Parteien verlieren leicht, die schärfsten Kritiker des Präsidenten Ernesto Samper legen zu. Bei unzähligen Überfällen der verschiedenen Guerillas sterben 17 Menschen

Bogotá/Berlin (AFP/taz) – Aus den von zahlreichen Gewalttaten überschatteten Parlamentswahlen in Kolumbien sind die regierenden Liberalen am Sonntag erneut als klare Sieger hervorgegangen. Nach Auszählung von 93,5 Prozent der abgegebenen Stimmen kam die Partei von Präsident Ernesto Samper auf 44,9 Prozent. Als zweitstärkste politische Kraft folgte mit weitem Abstand die Konservative Partei, auf die 11,7 Prozent der Stimmen entfielen. Damit haben beide großen Parteien verloren. Das relativ gute Abschneiden von Reformern und Unabhängigen werteten Beobachter als Zeichen der Unzufriedenheit mit Korruption und dem Einfluß der Drogenmafia.

Die Behörden zählten mehr als hundert Überfälle linksgerichteter Rebellen, die den Urnengang mit Waffengewalt verhindern wollten. Dabei wurden 17 Menschen getötet, unter ihnen acht Soldaten und drei Zivilisten. Mehr als 250.000 Soldaten und Polizisten sollten die Wahlen gegen Übergriffe der Guerilla sichern, die einen „bewaffneten Streik“ angekündigt hatte. Der schwerste Zwischenfall ereignet sich in dem Ort Mesetas, südöstlich von Bogota: Bei einem Angriff der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) starben fünf Polizisten, neun weitere wurden verletzt. Rebellen entführten außerdem vier Wahlhelfer und setzten im Norden 34 Busse und Lastwagen in Brand.

Nach Angaben der Wahlbehörde konnte der Urnengang in neun der 1.071 Gemeinden nicht stattfinden. In weiteren 77 vielfach entlegenen Orten wurde er vorzeitig abgebrochen, nachdem Rebellen Urnen und Wahlunterlagen verbrannt hatten. Regierungsvertreter sprachen dennoch von einem ruhigen Wahltag. Die Lage sei für das an Krieg gewöhnte Kolumbien normal, sagte Innenminister Alfonso López Caballero.

Die Kommentatoren in Kolumbien hoben vor allem die gestiegene Wahlbeteiligung hervor. Sie lag bei 45 Prozent – 1994 waren es nur 30 Prozent gewesen. In Bogotá wählten mit 1,1 Millionen Wählern fast doppelt so viele wie 1994. Mehr als in anderen Städten des Landes wurden dort Kandidaten ins Parlament gewählt, die vorher keinen Kontakt mit der Politik hatten oder die von der öffentlichen Meinung als neu und nicht korrupt angesehen werden. Unter ihnen sind im Senat Ingrid Betancourt als Dissidentin der Liberalen Partei, die Samper als Verbrecher bezeichnet hat, und der Parteilose Carlos Moreno, der die Pflasterung von Straßen in Bogotá aus eigener Tasche finanzierte.

Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus gewann der ehemalige Führer der Guerilla M-19, Antonio Navarro Wolff. „Das war eine Protestwahl gegen Korruption und Vetternwirtschaft“, sagte Navarro. cig