Der König hält alle Trümpfe

Indonesiens Präsident Suharto läßt sich heute wieder „wählen“  ■ Aus Jakarta Jutta Lietsch

„Wie oft wir die Spielkarte auch drehen und wenden, Präsident Suharto wird doch gewählt werden“, begründete die indonesische Zeitschrift Detektif dan Romantika (D&R) ihr jüngstes Titelbild – eine Spielkarte mit dem 76jährigen Staatschef als Pikkönig. Das war nach Ansicht der Regierung ein böses Vergehen: „Das Deckblatt des Magazins beleidigt unsere Verfassung“, wetterte Informationsminister Hartono. „Meiner Meinung nach ist es sehr herabwürdigend – schließlich ist Suharto kein König, und wir haben hier keine Monarchie.“ Der Chefredakteur von D&R, derzeit kritischste und frechste der zugelassenen Publikationen in Indonesien, erhielt für zwei Jahre Berufsverbot.

Suharto, der sich heute zum siebten Mal zum Staatschef ernennen läßt, versteht keinen Spaß, wenn man auch nur leise Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft anmeldet. Schließlich hat er sich viel Mühe gegeben, seine politische Bühne mit demokratischen Kulissen auszustatten: Es gibt drei offiziell zugelassene Parteien, „Parlamentswahlen“ und eine 1.000köpfige „Beratende Volksversammlung“, die alle fünf Jahre zusammentritt, Suhartos Rechenschaftsbericht entgegennimmt. Dann „wählt“ sie ihn erneut. Gegenkandidaten sind nicht üblich. Damit das Bild nicht gestört wird, hat der Präsident die Delegierten zum größten Teil selbst ausgesucht, darunter seine eigenen Kinder und die Familien seiner Minister und Geschäftsfreunde. Gestern ließ Suharto sich weitreichende Sondervollmachten ausstellen: Er kann nun ganz legal nach Gutdünken Polizei und Militär bei Unruhen einsetzen.

Bislang lief die Show ungestört ab: Obwohl in Jakarta Gerüchte über geplante Demonstrationen kursieren, ist die Stadt ruhig. Gestern wagten sich allerdings erstmals wieder protestierende StudentInnen auf die Straße, nachdem sie bisher nur gut bewacht auf dem Campus demonstrieren durften. 25.000 Polizisten und Militärs sind in Jakarta zusammengezogen worden. In den letzten Wochen sind nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen zahlreiche Regimekritiker festgenommen worden oder „verschwunden“.

Im Zentralgericht von Jakarta verwandelten die indonesische Astronomin Karlina Leksono (siehe Interview) und ihre beiden mitangeklagten Freundinnen gestern ihren Prozeß wegen „unerlaubter Demonstration“ in einen Akt bürgerlichen Widerstandes: Vor Hunderten SympathisantInnen und zahlreichen ausländischen Presseleuten begründeten sie, warum sie im Februar zusammen mit 15 anderen Frauen gegen die drastischen Preiserhöhungen protestiert hatten. Die Festnahme der Frauen, sagt der kritische Journalist und Schriftsteller Goenawan Mohamad, war eine „große politische Dummheit, die nur zeigt, wie unsicher die Regierung derzeit ist“. Denn Leksono gehört zu jenem Teil der indonesischen Mittelschicht, die bisher nicht auf die Straße ging, sondern höchstens im privaten Kreis über die Regierung schimpfte. Seitdem die Fotos vom Polizeieinsatz gegen die „Stimme der besorgten Mütter“, wie sich die Gruppe nennt, in den Zeitungen erschienen, reißen die Solidaritätsbekundungen nicht ab. Im Publikum tauchen erlauchte Personen auf: der ehemalige Umweltminister und die heimliche Hoffnung des schweigenden Mittelstandes, Emil Salim, ebenso wie der ehemalige Rektor der Universität von Indonesien, Mitglieder der staatlichen Menschenrechtskommission, Nonnen, AnwältInnen und Vertreterinnen zahlreicher Frauenorganisationen.

Obwohl die Zeitschrift D&R mit dem anstößigen Titelbild nicht auf den Markt kommen durfte, ist sie dennoch zu erhalten: Zeitungsjungen verkaufen fotokopierte Ausgaben in der ganzen Stadt.

Debatte Seite 12