Arbeiten, Kämpfen, Sterben

■ Eine KITOkolleg-Reihe wird das Thema „Zeit“diskutieren

uch Sie, werte LeserIn, müssen sterben. Keine unbedingt bahnbrechende Erkenntnis, die wir ebenfalls Sterblichen da kundtun. Und auch keine, auf deren permanente Vergewisserung man mit ungebremster Freude reagiert. Denn es ist in aller Regel keine hemmungslos erbauliche Aussicht, irgendwann als schnödes Aschehäufchen in eine Urne gefegt zu werden oder die mitunter in jahrzehntelanger Arbeit kultivierten Speckröllchen zu Wurmfutter oder Friedhofsblumendünger degradiert zu sehen. Aber wie die Wurst, so auch das Leben: Ein definitiver Anfang, ein unausweichliches Ende, und dazwischen eine Spanne von mitunter wechselhafter Qualität.

Diese, läßt man das Gefummel der GentechnikerInnen außer acht, jahrmillionenalte Konstante menschlichen Daseins animiert unsere Spezies immer wieder zu tiefschürfenden Gedanken. Seit einigen Jahren firmieren diese einschlägige Beiträge zumeist unter dem Oberthema „Zeit“. Und auch die fünf Beiträge des KITOkolleg „Zeit“kommen in ihrer Mehrheit nicht umhin, dem Tod und seiner Auswirkung auf die Spanne davor viel Raum zu gönnen.

Marianne Gronemeyers Vortrag „Die Eile hat der Teufel erfunden" basiert auf ihrem schmalen, sehr lesenswerten Buch 'Das Leben als letzte Gelegenheit' von 1993. Darin dreht sich alles um die Frage, inwiefern der moderne Mensch durch die Beschleunigung aller Lebensbereiche dem fatalen Irrtum unterliegt, innerhalb seiner begrenzten Lebensspanne „mehr“Leben unterbringen zu wollen, als es demjenigen vergönnt ist, der sich diesem zeitoptimierenden Erlebniszwang entzieht.

Ob Verlangsamung die adäquate Reaktion auf dieses Beschleunigungsphänomen ist, wird die Erziehungswissenschaftlerin am 26. März untersuchen.

Zuvor beschäftigt sich der Hamburger Politikwissenschaftler Ulrich Mückenberger mit den Chancen und Risiken demokratischer Zeitpolitik.

Ist Selbstbestimmung in Zeiten zunehmender Unterwerfung aller Lebensbereiche unter das Diktat globalisierter betriebswirtschaftlicher Anforderungen noch möglich? Gibt es ein Leben jenseits McKinseyscher Welten? Kann der individuelle Lebensrhythmus so mit den Anforderungen von VW & Co verschränkt werden, daß Menschen menschlich existieren können und trotzdem Autos vom Band laufen? All das erzählt Mückenberger zum Auftakt der KITO-Reihe am Donnerstag.

Sibylle Tönnies, taz-LeserInnen als regelmäßig schreibende Gastautorin vertraut, setzt am 9. April die Reihe mit einem Vortrag über die unterschiedlichen Zeiterfahrungen in der Moderne fort. Das populäre Erklärungsschema, daß einst die Natur, heute aber Maschinen unseren Alltag strukturieren, zweifelt die Bremer Soziologin an. Moderne Zeitverhältnisse sind erheblich komplexer, abhängig vom zumindest auf den ersten Blick verwirrenden Zusammenspiel verschiedenster Systeme. Auf daß Sibylle Tönnies Licht in dieses schwarze Loch bringen möge!

Beendet wird die KITO-Reihe mit Vorträgen eines Naturwissenschaftlers und einer Publizistin. Rudolf Kippenhahn schildert am 23. April, weshalb neueste astrophysikalische Erkenntnisse nahe legen, die Evolution als eine Geschichte der Zeit reformulieren zu müssen, während Cora Stephan den Krieg als zentrale Zeitmetapher unseres katastrophischen Jahrhunderts zu deuten sucht (7. Mai).

„Morituri te salutant“pflegten die Gladiatoren im alten Rom zu sagen, ehe sie sich zur Belustigung des Volkes den Schädel einschlagen mußten. Letzteres machen wir glücklicherweise nicht mehr. Vielleicht entfällt nach diesen weisen Vorträgen auch die Begrüßungsformel. zott

Die Vorträge im KITO beginnen pünktlich um 20 Uhr. Nähere Informationen erhält man unter 65 48 48