Wie das mit den Mädels immer schiefging Von Michael Rudolf

Mein Unglück begann, als mich die Eltern zeitweise in einen Kindergarten geben wollten. Der Sozialisierungsversuch scheiterte bereits am ersten Tag. All mein Sehnen und Hoffen in dieser Zeit kreiste um Lissy S., in deren Namen ich Unheil über die Nachbarskinder brachte, glich Lissy doch in ihrer lieblichen Frische einer eben erblühten Seerose. Oder einer Flasche kühler Himbeerlimonade. Manuela L. sah das nicht so. Manuela L., ein schon in zarter Kindheit zum Maskulinum mit all seinen Nachteilen neigendes Mädchenmonstrum, beendete spontan aufkommende Lyssi-Diskurse im Sandkasten, indem sie mir unter Zuhilfenahme ihrer Metallkinderschaufel den Scheitel neu zog. Vom linken bis zum rechten Ohr.

Wie lange eine Stunde dauern kann, davon bekam ich eine eindringliche Vorstellung, weil hinter meinem Stammplatz im Gotteshaus jedes Mal eine betagte Ärztin mit ihrer Schwester und Zugehfrau den Herrn bis zur Verzückung lobte. Letztere verfehlte die via Gesangbuch Laudate überlieferten Melodien um exakt den Viertelton, der normal ausgebildeten Gehören Schmerzen zufügt. Schräg vor mir saß das bestürzend schöne Mädchen Sylvia D., das seine übliche Beschaffenheit unter Batikhemden und nougatbraunen Bananenröckchen verbarg. Gern würde ich ihr die Pforten meines Herzens geöffnet haben, wenn nicht die schrille Sirene hinter mir die dafür nötige Andacht in Grund und Boden gequäkt hätte.

Auf sonderbar dämliche Art und Weise brachte ich zuwege, mich für die Tanzstunde anzumelden. Eine Panne, gleich bei der ersten Session, verschaffte mir Gelegenheit, mit einem unglücklichen Geschöpf vorliebnehmen zu müssen, das Vergessen im Gesellschaftstanz suchte. Die junge Dame erweckte den Eindruck, als putze sie ihre Zahnreihen mit grober Leberwurst. Den Jungens war sie kein Wohlgefallen: einen Meter zu groß, arm an geistig beweglicher Habe, den Mund rappelvoll mit Fliegen. Ihre über und über herrschsüchtigen Füße machten sich bei jedem Schritt meine bescheidenen Zehen untertan. Und nur angeborene Rücksichtnahme verbietet mir die Preisgabe des Namens von Karin Heinecke.

Noch trauriger lief die Sache mit Sabine S., die ein Jahr älter war als ich. Energisch verbandelte sie Agitation und Propaganda mit dem Wunsch, auch sonst vertrauten Umgang mit mir zu wollen. Ich begrüßte das. Denn all ihre körperlichen Anlagen ließen schon auf dezidierte Heiratsmüdigkeit schließen. Einmal, bei ihren Anwerbungsversuchen, wollte ich eben einen Toast auf ihr ansehnliches Brustpositiv ausbringen und meine Lippen zum für soziale Beziehungen üblichen Vorgeplänkel schürzen, als ich einen an ihrem rechten Nasenloch baumelnden Riesenpopel entdecken mußte, der der Weihe des Augenblicks, das möchte ich betonen, kolossal im Wege stand. So begann das damals mit den Mädels schiefzugehen.

Dazu nun drei Kontrollfragen an mich: Was nützt da ein Busament, welches das Blau ihres Hemdes gefährlich spannte? Nichts. 2. Hätten neutrale Beobachter richtig gelegen, die so was zum Anlaß nähmen, künftigen Liebschaften keine großen Chancen mehr einzuräumen? Sie hätten. Und, 3., war das nicht alles schlechtweg traurig? Nein, das ist es immer noch.