■ Schnittplatz
: Revolution im Titelreich

Impressen werden von normalen Lesern für den überflüssigsten Teil einer Zeitung gehalten. So überflüssig, daß den schönen Plural von „Impressum“ kaum jemand kennt. Kein Wunder: Schließlich verstecken die Verlage die Rubrik am liebsten zwischen Bezugsquellenverzeichnissen und Beilagenhinweisen. Eigentlich gibt es die unscheinbaren Impressum-Kästen ohnehin nur aus zwei Gründen: erstens – sie sind vorgeschrieben. Zweitens – Journalisten sind auf ihre Lektüre oft heißer als auf jeden Leitartikel.

Allein den Journalisten nämlich erschließt sich die Wunderwelt des Impressums wirklich – jener geheime Code, der sich in den scheinbar öden Namensschlangen verbirgt. Die Tragödien einer ganzen Branche werden hier verhandelt. Wer jemals den Zeit-Chefredakteur durch die Redaktionsflure stürmen sah, mit einem geheimes Einvernehmen signalisierenden verschmitzten Blick erklärend, er habe eben einen kleinen Coup gelandet: „Ich habe das Berliner Büro vor das Bonner Büro gesetzt“ – im Impressum, nicht in der Gehaltsliste –, der weiß, was das Impressum bedeutet. Wer jemals die pflichteitel präsentierten Doktortitel im Zeit-Impressum zählte und sich über die Abstufungen der Macht im Impressum der Bild-Zeitung wunderte („Chefredakteur“, Stellvertreter des Chefredakteurs“, „weitere stellvertretende Chefredakteure“) – dem hat sich eine Welt aufgetan. Nur im Impressum ist man wer – in den Verlagen gehörte es zu den obersten Machtfragen, wann wer drinsteht und wann nicht. Und was alles für schöne Titel erfunden werden, um Abstiege zu verkleistern, Aufstiege zu versüßen, Ausstiege zu verhindern: „Politischer Korrespondent“, „Chefreporter“, „Berater der Herausgeber“!

Die großen Zeitfragen verstecken sich im Impressum. Wir sind beim Schmökern in Impressen auf eine kleine Revolution getroffen. „Zeichen der Zeit“ heißt das Ressort im Impressum des Süddeutsche Zeitung Magazins auch noch. Wir zitieren: „Gabriela Herpell, Bettina Stiekel (Und jetzt?)“ Soviel Verzweiflung im Reich der Titel! Was sagt uns das? München, helfen Sie uns! Wird die Kolumne in dieser Woche gar fortgesetzt? lm