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■ Zwei neue Zeitschriften wollen Menschen mit Wissen versorgen - aus Bereichen, die andere links liegen lassen: "Welt der Wunder" kümmert sich um Wunder, "P.M. History" um History

Hendrik Hey, Pro7-Moderator und Fachmann für Wunder, die eigentlich nur Naturgesetze sind, hat das Vorwort verfaßt: Die Monatszeitschrift Welt der Wunder, schreibt er, sei für all die Leute, die sonntags um 19.45 Uhr etwas anderes zu tun haben, als die gleichnamige Sendung anzuschauen. Schließlich könne man das neue Heft „überallhin mitnehmen, betrachten und lesen, wann immer man will!“ Außerdem hat Ex-Flyer-, Ex-Motion- und Welt der Wunder-Chefredakteur Helge Birkelbach, die Geheimwaffe der innovativen Jugendpresse, haufenweise wundersame Artikel ins Heft gepackt, die herzlich flapsig geschrieben sind, damit der Leser auch ja alles versteht und nicht etwa denkt, er habe aus Versehen Geo gekauft. In „Brainsex – Steckt das Denkzentrum der Männer mehr in der Hose als im Hirn?“ zum Beispiel erfährt der Leser, daß Steinzeitmänner „Uarrrrgh!“ brüllten, wenn sie „Muß noch schnell Antilopen jagen gehen“ meinten, daß ein männliches Gehirn durchschnittlich hundert Gramm mehr wiegt als das einer Frau und „Staatsgebilde und Downhill-Biking“ aus männlichem „Gebärneid“ entspringen. Zudem kann, wer „Testosteron“ nicht kennt, das Wort am Heftende nachschlagen oder einfach weiterblättern, um sich nachkolorierte Vergrößerungen von „Bio-Killer-Insekten“ anzuschauen.

Die spärlichen Werbeanzeigen und die vielen Computer-Infos weisen auf die wissenschaftlich interessierte Zielgruppe: Männer! Und weil in uns Jungs ja auch noch irgendwo ein „Jäger und Sammler“ steckt („Uarrrrgh“), gibt es als „Gimmick“ noch zwölf hübsche Sammelkarten „Weltraumsonden“ gratis. Abgerundet wird das Ganze durch vielerlei Kuriositäten, wie sie schon im Focus und auf den „Vermischten Seiten“ der Tagespresse zu finden waren. Und wer die Welt der Wunder diesen Monat am Kiosk verpaßt, kann sie auch im Fernsehen angucken. Immer sonntags um 19.45 Uhr. Da kostet sie dann keine 4,90 Mark! Nur überallhin mitnehmen kann man sie dann nicht.Frank M. Ziegler

Beim „P“ in P.M. nicht spontan „populärwissenschaftlicher Humbug“ zu assoziieren fiel schon immer schwer. Dabei zeigte P.M., „Peter Moosleitners interessantes Magazin“, schon damals, als Autos noch wie ein K 70 aussahen, futuristische Designstudien, die einem Twingo zum Verwechseln ähnlich sind... Nun aber haben sich die Moosleitnerschen Zeitreisenden einen Ableger gegönnt, der zwar ebenfalls die prosaischen Niederungen der Gegenwart ignoriert, die magische Jahreszahl „2000“ aber durch den kleinen Zusatz „v. Chr.“ wieder in weite Ferne zu rücken versteht: P.M. History.

Und so „interessant“ wie Peter Moosleitners Magazin ist „das neue Magazin für Geschichte“ allemal – auch wenn die 100 Seiten Hochglanz kaum aktueller sind als die Vergangenheit, über die sie berichten: Dracula, Karneval in Rio, die Entstehung eines Dostojewski- Romans (inkl. Romanauszug)... Außerdem wurde die mäßig spektakuläre Entdeckung der „Gantenbrink-Tür“ in der Cheopspyramide schon mehrfach für TV-Reportagen verwurstet; die Homestory über Luthers Eheleben ist kaum erhellender als ein Besuch bei Dieter Bohlen; und für das letzte Beweismittel der napoleonischen Todesursache „scheint sich“, so steht's sogar im 40seitigen Sonderteil „Napoleon“, „niemand mehr (...) zu interessieren“.

Doch wer in der Schule lieber „Käsekästchen“-Turniere veranstaltete, statt dem Lauf der Geschichte bzw. dem Verlauf einer Geschichtsstunde Aufmerksamkeit zu schenken, mag froh sein, vierteljährlich seine Allgemeinbildungslücken für 8,50 Mark schließen zu können. Um so mehr, als die P.M.-Autoren auch schon mal die Pyramiden mit Petersdom, Lenin-Mausoleum und Space Shuttle vergleichen und hemmungslos in die große Anekdoten-Kiste greifen.

Man wolle eben, kryptelt P.M.- Chefredakteur Hans-Hermann Sprados im Editorial, „berichten, als wäre man zu Beispiel bei der Völkerschlacht von Leipzig vor Ort gewesen wie beim CSU-Parteitag in Wildbad Kreuth“. Dieses Vorhaben ist – zum Glück! – mißlungen.Christoph Schultheis