■ Die FDP muß sich beim Staatsbürgerrecht durchsetzen
: Eine Frage der Glaubwürdigkeit

„Das Staatsangehörigkeitsrecht wird umfassend reformiert.“ Dieser Satz findet sich im CDU/CSU/ FDP-Koalitionsvertrag vom Herbst 1994. Geschehen ist nichts. Der Bundesratsantrag ist die letzte Gelegenheit zu einer Reform in dieser Legislaturperiode. Alles hängt nun vom Verhalten der FDP-Abgeordneten ab. Darf man sich nach dem Lauschangriff noch einen Sologang erlauben? Man darf nicht, man muß.

Zugegeben, die Koalition befindet sich in einer verzwickten Situation. Aber wer hat denn die Koalition in diese Situation gebracht? Wären die Betonköpfe in der CSU etwas beweglicher gewesen, hätte Manfred Kanther etwas mehr Kompromißbereitschaft gezeigt, wären die „Jungen Wilden“ in der CDU ein bißchen jünger und wilder als ihr Ruf, man hätte längst ohne viel Getöse eine Lösung gefunden. Zumal ja die sachlich nicht gerechtfertigte Befristung der doppelten Staatsbürgerschaft schon ein großer Schritt zur Union hin ist.

Daher darf sich die FDP nun von den Drohgebärden der Union nicht schrecken lassen. Die Union hat die FDP in der Vergangenheit häufig genug, auch im Verbund mit der SPD, gezwungen, gegen die eigene Überzeugung zu stimmen. So war es bei der Pflegeversicherung, beim Gesundheitsstrukturgesetz, beim Solidaritätszuschlag. Daher geht es jetzt um mehr als um das Staatsangehörigkeitsrecht. Es geht auch um die Glaubwürdigkeit der FDP. Diese zu verlieren, ist für die Partei sehr viel bedrohlicher, als den Koalitionspartner zu verlieren.

Das Argument, Hektik sei jetzt fehl am Platze, denn nach der Bundestagswahl würde die Reform sicher kommen, überzeugt nicht. Denn: Wenn es zu einer Neuauflage dieser Koalition kommt, wieso sollte die CSU dann beweglicher sein als in den letzten Jahren? Und besteht nicht die sehr realistische Möglichkeit, daß wir im Herbst in Bonn eine große Koalition vorfinden, in der Schäuble & Schröder vielleicht das Ausländerrecht verschärfen, aber ganz sicher keine Reformen für Einwanderer voranbringen? FDP und Grüne können dann von der Oppositionsbank den Zustand beklagen, wir Einwanderer werden davon nichts haben.

Daher schlafe ich bedeutend ruhiger, wenn die Reform jetzt unter Dach und Fach gebracht wird. Und was die Koalition angeht: Wenn sie jetzt platzt, dann platzt sie eben. Etwas Besseres als den Tod finden wir Liberale außerhalb dieser Koalition allemal. Mehmet Gürcan Daimagüler

Generalsekretär der Liberalen Türkisch-Deutschen Vereinigung