Israel sucht nach einem Ausweg aus dem Südlibanon

■ In Jerusalem wird über einen einseitigen Abzug nachgedacht. Insgeheim soll darüber bereits mit der libanesischen Führung verhandelt werden. Doch deren „Schutzmacht“ Syrien ist dagegen

Jerusalem (taz) – Die Gegend ist einer der gefährlichsten Einsatzorte, den die israelische Armee zu bieten hat: der Südlibanon. An keiner anderen Front sind die Verluste so hoch. 37 Soldaten starben durch Angriffe der schiitischen Hisbollah im vergangenen Jahr. Dieser Blutzoll hat in Israel die Debatte um einen Rückzug aus dem als „Sicherheitszone“ beanspruchten Gebiet angeheizt.

Erstmals hat Israels Minsterpräsident Benjamin Netanjahu die Resolution 425 des UN-Sicherheitsrates als mögliche Lösung für einen israelischen Rückzug in Betracht gezogen. Sie wäre damit die erste UN-Resolution, die Israel seit der Teilungsresolution für Palästina vom 29. November 1947 anerkennt. Die Resolution stammt vom 30. März 1978, als die israelische Armee eine „Säuberungsaktion“ gegen palästinensische Kommandos im Südlibanon unternahm. Dem folgte 1982 die Invasion in den Libanon. Drei Jahre später mußte sich die israelische Armee auf die heutigen Linien zurückziehen. Dort übt sie gemeinsam mit der „Südlibanesischen Armee“ die Kontrolle aus.

„Den Libanon zu verlassen bedeutet ein weitaus geringeres Risiko, als dort zu bleiben“, erklärte Jossi Beilin, außenpolitischer Sprecher der Arbeitspartei gestern gegenüber der Jerusalem Post. Er gilt als einer der entschiedensten Befürworter eines einseitigen Rückzugs aus dem Libanon. In jüngster Zeit hat er prominente Gesellschaft erhalten, bis hin zum Verteidigungsminister. Anonyme Quellen im Verteidigungsministerium gestanden ein, daß die Armee alles versucht habe, um den Krieg im Südlibanon für sich zu entscheiden: „Wir haben Kommandos geschickt, wir haben die Einwohner bis Beirut getrieben. Wir haben Stellungen bombardiert und sind doch stets zum Ausgangspunkt zurückgekehrt. Es bleibt nur eine Möglichkeit, die wir ernsthaft prüfen müssen: der Rückzug.“

Doch den will Netanjahu an Bedingungen knüpfen. Zwar verzichtet er nun indirekt auf ein Friedensabkommen mit dem Libanon, doch will er, daß die libanesische Armee, die im Südlibanon stationierte UN-Truppe UNIFIL oder europäische Soldaten die israelische Nordgrenze sichern. Verteidigungsminster Mordechai reiste diese Woche deshalb nach Frankreich. Doch die Franzosen üben Zurückhaltung, denn vor allem der Widerstand der libanesischen „Schutzmacht“ Syrien gegen eine solche Lösung ist groß. Hafis al- Assad, Syriens Staatschef, bestellte die Führungselite des Libanon – Präsident Rafik Hariri, Regierungschef Elias Hrawi und Parlamentspräsident Nabi Berri – zu Wochenbeginn nach Damaskus ein. Syrische Zeitungen beschworen, daß es keine Differenzierung zwischen der Befreiung Südlibanons und der Räumung des Golan durch Israel geben könnte.

Nach israelischen Berichten waren es geheime Verhandlungen zwischen Israel und dem Libanon, die Assad zu der „Einladung“ veranlaßten. Syrien nutzt die Angriffe der Hisbollah als Druckmittel, um Israel zu einem Rückzug vom Golan zu bewegen. 30.000 syrische Soldaten stehen im Libanon und sorgen dafür, daß das Land quasi als Protektorat regiert wird.

Auch wenn es unwahrscheinlich ist, daß Syrien, der Libanon oder gar die Hisbollah die von Israel verlangten Sicherheitsgarantien geben werden, scheint Israels Rückzug aus der „Sicherheitszone“ nur eine Frage der Zeit. Georg Baltissen