Strategien des Gefühls

■ Niedliche Existentialisten, einfältige Don Juans: Das Tagebuch des Verführers

Alles Zufall. Mit Kunst hat die Verführung jedenfalls nichts zu tun, eher mit dem etwas schäbigen Ausnutzen von Gelegenheiten. Sébastian ist ein Don Juan zweiter Garnitur, der auch vor ganz niederen Methoden der Verführung nicht zurückschreckt. Der junge Mann, der Tagebuch über vermeintliche Eroberungen führt, spielt schon mal den sexuell Verwirrten - in der Hoffnung, daß sich die Frauen seiner erbarmen, um ihn wieder auf die „richtige“Seite zu ziehen. Das klappt natürlich nicht recht, dafür findet irgendwann die Mutter einer Freundin seine Aufzeichnungen und nimmt sich seiner aus Mitleid und Langeweile an. Grégoire hingegen läuft eher den Frauen weg – und zieht sie dadurch magisch an. Der niedliche Existentialist ernährt sich von schwarzem Kaffee, sein Gesicht ist kalkweiß, und wenn er spricht, dann nur in gesalbten Worten – und zwar von Kierkegaards Das Tagebuch des Verführers.

Danièle Dubroux' gleichnamiger Film, eher ironischer Kommentar als ehrfürchtige Adaption, zeigt die verschiedenen Formen der Verführung. Und die Regisseurin selbst, die sich dem Kino, wie so viele französische Filmschaffende zuvor, zuerst als Autorin für Cahiers du Cinéma hingegeben hat, ist eine erfahrene Verführerin – im Film übrigens spielt sie selbst die Mutter, die sich des glücklosen Sébastians annimmt. Ihr Werk läuft an wie eine dieser aufschlußreichen Konversationsstunden von Eric Rohmer, nimmt im Stil von Woody Allen die eine oder andere burleske Wendung, um schließlich in der poetischen Überhöhung eines F.W. Murnaus zu enden – wenn hier auch das Liebespaar über einen nächtlichen See rudert, um eine Leiche darin zu versenken.

Die Heldin des Films, Claire (große fragende Augen: Chiara Mastroianni), irrt zwischen den beiden Männern hin und her, zwischen Hirngespinst und Wirklichkeit, zwischen Traumwelt und Psychoanalytiker. Wenn Dubroux' Studie zur Strategie der Gefühle auch manchmal ein bißchen überfrachtet daherkommt, lohnt sie doch schon wegen des grandiosen Gastauftritts unseres liebsten verhinderten Verführers: Jean Pierre Léaud, der ja schon in den Werken von Francois Truffaut immer nur über lustige Umwege an die Frauen gekommen ist, huscht als wahnsinniger Schriftsteller durch den an Zitaten nicht eben armen Film.

Christian Buß

Do 12. bis Mi, 18. März,

20.30 Uhr, 3001