Böse Mütter gibts auch im Busch

■ Afrika-Filmtage im Kino 46: Von Liebe, Autos, Traditionen und „falschem“Timing

Afrika, das sind Hutu-Tutsi-Metzeleien in Ruanda, die islamisch-fundamentalistische Guerilla im Sudan, die bröckelnden Hoffnungen in Südafrika, die FIS in Algerien und die eine oder andere Hungerkatastrophe, oder? Nicht für den afrikanischen Film. Die in Europa wahrgenommenen Konfliktpunkte werden kaum einer cineastischen Verwertung unterzogen. Die Filme, die eine Woche lang im Kino 46 zu sehen sind, reiben sich eher (halb kritisch, halb sentimental) an der afrikanischen Mythenwelt oder an den privaten, oft USA-inspirierten Träumen und Hoffnungen in einer chancenverweigernden Umwelt.

Der Bremer Kinobesucher blickt aber keineswegs in eine hermetische, fremde Welt. Überall stößt er auf Auseinandersetzungen mit dem hohen Norden: Hier ein Fotoromangroschenheft mit weißen Kußschmatzenden, das halbwüchsige Senegalesinnen haltlos ins Schwärmen bringt, dort die Erfahrungen eines Kameruner Taxifahrers mit einer Kölner Flüchtlingshilfsorganisation. Und wo trieb es José Laplaine dazu, einen Film über die liebenswert-schrägen Vögel in einem Boxclub in Kinshasa zu drehen? In der Fremde Europas; er war gerade mal 18 Jahre alt.

Viele AfrikanerInnen fühlen sich ihren Wurzeln entfremdet. Das hat auch sein Gutes. Für uns. Denn viele Filme zeigen die ganz normalen dörflichen Riten und Alltagsbewältigungsstrategien mit einer Ruhe und Gründlichkeit, als richteten sie sich an ein ahnungsloses, doch bildungswilliges europäisches Publikum. In Wahrheit geht es wohl um eine Selbstvergewisserung der eigenen Tradition in verwirrenden, formauflösenden Zeiten.

Zum Beispiel „Mossane“(Fr., 13. März um 20.30 Uhr), ein Film von der Senegalesin Safi Faye, die in den 70er Jahren angeblich als erste Frau Afrikas zur Kamera griff. Die Geschichte vom jungen Mädchen, das wegen des verdammten Geldes den Falschen heiraten muß und zerbricht, könnte auch im alaskischen Anchorage spielen. Überall auf der Welt ist die schöne, unbefleckte Maid die geradezu archetypische Projektionsfläche für all die Gemeinheiten, denen wir ausgeliefert sind.

Safi Faya zeigt die Knechtung der Frau übrigens nicht als Rückschrittsphänomen. Mossanes Großmama plädiert für deren Recht auf Selbstbestimmung. Die Mutter ist es, die sie zwangsverheiraten will. Die soziologische Einordnung wird mitgeliefert: „Wo die Erde nicht mehr die Menschen versorgt, kann Moral nicht überleben.“Un-ökologischer Raubbau und Versteppung wären also schuld an Mossanes Elend.

Das moderne Elend wird aber mit alten Legenden fusioniert. Tradierte Volkslieder strukturieren die Geschichte. Jenseits dieser Story erfährt der Europäer und der verstädterte Afrikaner viel über das Essen mit den Fingern, medizinische Diagnose mittels Zaubermuscheln oder ein kollektives Zubodenwerfen im Trauerfall. Vielleicht noch erhellender: Das Anti-Timing der Szenen und die (oft aberwitzigen) Schnitte erzählen viel von einer anderen, entspannten, vielleicht angenehmeren Lebenshaltung. Zum Beispiel will Mossane den Arzt für den schwerkranken Bruder holen. Statt den gebührenden Streß zu produzieren, schweift der Film ab, freut sich sinnlos an fußballspielenden Jungs auf der Straße; erst dann darf Mossane weiter. Nach 20 Filmminuten deutet sich sowas wie Geschichte an.

Relativ plötzlich dagegen wirft man uns mitten in die Hochzeit. Allzu viel Mühe auf die Ausleuchtung der unglücklich liebenden Psyche verschwendet der Film aber nicht. Das Darstellen von Liebe, das Erzeugen von Suspense, das Austarieren von Haupt- und Nebensache widerstrebt ganz spannend unseren Sehgewohnheiten. So können wir während der afrikanischen Woche auch viel über uns erfahren. bk

Termine und Inhaltsangaben in der kinotaz auf S. 24 und 25