Spielchen mit schlechter Verfassung

■ Kalifornische Behörden im Windmühlenkampf gegen Cannabis

Volkes Stimme ist nicht immer das letzte Wort. Das ist eine schmerzliche Erfahrung, die Kranke in Kalifornien gerade machen. Zwar haben die Kalifornier 1996 das Volksbegehren Nummer 215, das den medizinischen Gebrauch von Marihuana zuläßt, mit 56 Prozent der Stimmen verabschiedet, doch die Staatsregierung läßt nichts unversucht, diese Bresche im ehernen Panzer der Drogenabwehr wieder zu schließen.

Im Zentrum der jüngsten Runde im Kampf der Behörden gegen die Patienten und deren Versorger steht ein sogennanter Buyers' Club, ein Kiffer-Verein, der in San Francisco von Dennis Peron, dem Initiator des Volksbegehrens, geleitet wird. Nach einem Urteil des Obersten Gerichts von Kalifornien vom Ende Februar muß er eigentlich seinen Laden schließen. In den rauchgeschwängerten Korridoren und Räumen des Cannabis Buyers' Club in der Market Street unweit des Rathauses von San Francisco trifft sich ein Querschnitt der Cannabis-Gemeinde. Das Spektrum reicht von heruntergekommenen Stadtstreichern, die dem Blick ausweichen, bis zu Yuppies, die hier merkwürdig deplaziert wirken.

Die bunte Mischung reflektiert die Gleichheit der Klassen und Rassen vor bestimmten Krankheiten wie Aids, Arthritis, Migräne und Star. Zwar erblickt eine Mehrheit der Amerikaner in den Drogen neben der Allgegenwart des Verbrechens das Problem Nummer eins im Lande, doch kennt gleichzeitig einer von vier Amerikanern jemanden, der von der therapeutischen Wirkung des Haschischs profitieren würde. Die Legalisierung des medizinischen Gebrauchs von Marihuana hat daher gute Aussichten, in den sechs Bundesstaaten, in denen die Frage in diesem Wahljahr auf dem Stimmzettel stehen wird, verabschiedet zu werden.

Auch der Streit zwischen dem Cannabis Club in San Francisco und dem Justizminister Kaliforniens hat mit den bevorstehenden Wahlen zu tun. Dan Lungren nämlich möchte der nächste Gouverneur werden und profiliert sich als Law-&.order-Kandidat. Unter den gut 20 Buyers' Clubs, die in Kalifornien zur Zeit rund 10.000 Patienten mit Cannabis versorgen, suchte er sich sechs in der Bay Area und um San Francisco heraus, darunter den in der Market Street, der seine Pforten schon vor Verabschiedung des Bürgerbegehrens Nummer 215 geöffnet hatte.

Lungren glaubt eine Lücke im Text der Gesetzesinitiative entdeckt zu haben. Das Recht der Kranken auf Marihuana sei nicht gleichbedeutend mit dem Recht anderer, es zu verkaufen, und jene, die in den Clubs die Kranken mit dem erleichternden Kraut versorgen, seien keine „Krankenversorger“ im Sinne des Gesetzestexts.

„Wenn die Staatsanwaltschaft semantische Spielchen machen will, werden wir mit semantischen Tricks reagieren“, erklärte Dennis Peron dazu der taz. Nach dem Urteil änderte er den Namen seines Ladens in „Cannabis Anbauer- Club“. „Wir verkaufen hier kein Cannabis, sondern lassen uns für eine Dienstleistung entschädigen, die im Anbau von Cannabis besteht, und die läßt das Gesetz ausdrücklich zu, sofern die Ernte für die Linderung von Leiden bestimmt ist.“ Der Staatsanwalt möchte den Sheriff in Marsch setzen, doch so schnell dürfte es dazu nicht kommen, denn die Stadtverwaltung steht auf seiten der Kranken. In San Francisco haben immerhin fast 80 Prozent der Wähler für 215 gestimmt!

Am 24. März muß sich der Club nun aber in einem von der Bundesregierung angestrengten Verfahren behaupten. Dennis Peron will sich dann auf den 10. Verfassungsgrundsatz berufen, der alle Gesetzgebung, die nicht ausdrücklich in die Kompetenz des Bundes gegeben ist, den einzelnen Staaten vorbehält. Peter Tautfest, Washington