Wenn Frauen gut wegkommen

Was sind „Die Schwächen der Frauen“? Leichter ist es zu sagen, wofür sie eine Schwäche haben. Für gute Väter in „2 Frauen, 2 Männer, 4 Probleme“, für elegante Fußtritte und Babys in „Heroic Trio“. In jedem Fall aber für Komödien und Märchen  ■ Von Brigitte Werneburg

Was um Himmels Willen sollen „Die Schwächen der Frauen“ sein? Nachdem Damenkränzchen und das Naschen von Törtchen nur noch historische Reminiszenz sind? Erfreulicherweise macht der portugiesische Regisseur Luis Galvao Teles um die Antwort keine langen Faxen: Da sind nacheinander vier schöne Frauen im Bildsucher einer Videokamera zu sehen. Sie müssen so um die Mitte dreißig sein, und sie sagen „ich heiße Eva“, Chloé, Barbara oder Branca; und dann verplappern sie sich und sagen weiter: „ich bin geboren am, ahm, ach, das ist doch unwichtig“ oder „mein Alter tut hier nichts zur Sache“. Freilich heißt nun die Reportage, die Linda Lapa (Carmen Maura), Moderatorin der Fernsehsendung „Maquillages“ mit Hilfe ihrer Freundinnen produzieren will: „Was sind die drei geheimen Wünsche einer Frau von 40?“

Auch diese Altersangabe ist tiefgestapelt. (Zumindest können Marthe Keller, die Barbara spielt, und Marisa Berenson als Chloé kaum mehr vierzig sein.) Und so wird schnell klar: Eine der Schwächen der fünfzigjährigen Frauen heute ist es, daß sie erschreckend jung sind. Eine andere ist es leider, daß sie dennoch sterblich sind. Die Waagschale von frappierender Jugendlichkeit und Leichtsinn auf der einen und Krankheit, drohendem Tod und Tragik auf der anderen Seite hebt und senkt sich und gibt der Dramaturgie ihr Gewicht.

Keine Schwäche für krasse Unvernunft

Doch weil der Film eine Komödie ist, wiegt der Leichtsinn schwerer als die Tragödie. Gerade so scheint es ja auch im Leben zu sein; bis man bemerkt, daß die Sache genau andersherum geht, aber da sitzt man längst in der Patsche.

Das Leben ist ein Spiel, und alle haben viel zu große Lust, mitzupokern: Branca (Guesch Patti), die impulsive und egozentrische Schauspielerin, die nichts so sehr fürchtet wie Verantwortung; Chloé, die kühle, elegante Besitzerin eines Schönheitssalons, die nichts mehr fürchtet als Brancas verführerische Attraktivität; Eva (Miou-Miou), die Universitätsdozentin, die befürchtet, in ihren Studenten Luis (Morgan Pere) verliebt zu sein, der dazu der Sohn von Barbara ist, der pragmatischen Chefin eines Partyservice, die sich gleichermaßen vor der Operation wie dem Tumor fürchtet, der in ihrem Kopf wächst.

Nur Linda, die Fernsehjournalistin, will nicht wirklich mitspielen, denn anders als die anderen hat sie einfach Angst. Vor der Nähe und vor dem Leben außerhalb der Redaktion. Sie will die Bank halten, während die anderen ihre Einsätze riskieren. Die Bank ist ihre Videokamera, hinter der sie sich versteckt und versucht, ihre Freundinnen und andere Frauen nach ihren geheimen Träumen und Hoffnungen auszufragen. Aber nicht immer gewinnt die Bank. Und so löst sich die toughe Macherin im Fernsehstudio vor laufender Kamera erst einmal in Tränen auf.

Daß dies den Zuschauern passieren könnte, vor Lachen oder auch vor schmerzlichem Mitgefühl mit Barbara, ist wenig wahrscheinlich. Dazu ist der Film „Die Schwächen der Frauen“ zu abgeklärt, zu alltagsnah und zu bescheiden in der Konstruktion seines Plots. Radikale, krasse Unvernunft, so viel wird klar, zählt gewiß nicht zu den Schwächen der Frauen.

Dennoch könnten Frauen eine Schwäche für Teles melancholisches Sittengemälde eines Mittelstands in Lissabon entwickeln, der sich als so mustergültig international erweist wie die Starbesetzung seines Films. Immerhin ist die Komödie die einzige dramatische Gattung, in der die Frauen (selbst die älteren Frauen und die Mütter) prinzipiell gut wegkommen. Die Tatsache, daß auch nur eine Frau (und bei Teles sind es fünf!) den Kopf (oben) behält, reicht schon aus, ein Stück als Komödie zu identifizieren. Das sagt natürlich einiges über das Trauerspiel des realen Lebens. Daß eine Frau nicht nur als Ornament und Dekor fungiert, daß sie in Schwung kommt, in Bewegung und am Ende nicht tot ist, wie in der Tragödie, ist eben per se absurd und von vornherein komisch.

Komödien sind auch die Filme, die am ehesten aus der Perspektive der Frau erzählt werden. Vielleicht hat die Komödie deshalb ihren großen Boom, weil sie als einzige davon berichtet, wie es anders ginge. Vielleicht ist es doch unser aller insgeheime ödipale Rebellion gegen die Anmutungen des Lebens und das Rollenspiel des Kinos allzumal, die uns auf die Komödie setzen läßt, und nicht unser Wunsch nach Affirmation. Nicht unser Wunsch nach wohlausbalancierter Harmonie, nach dem Happy-End. Das ja immer spießig ist.

Eine Schwäche für gute Väter

Spießig. Ja. Die Schwächen der Frauen sind vor allem die Kinder. Die sollten zwar auch die Schwäche der Männer sein, aber Männer reagieren auf Kinder einfach allergisch. Das ist die Konstellation, in der Vivian Naefe eine Frau, einen Mann und zwei Kinder auf die Fahrt von München nach Venedig schickt, auf daß sie am Ende ein Paar und nicht nur das, nein, eine neue Familie werden. Es geht also um einen gewaltigen Einsatz an Utopie und dementsprechend um eine ziemlich klamottige, also konstruierte Ausgangssituation. Ja, es ist absurd, weil extrem unwahrscheinlich, daß eine mehr oder minder verhärmte Hausfrau einem arbeitssüchtigen, karrierebewußten, von Idiosynkrasien noch und noch geplagten Staranwalt Respekt abnötigen sollte. Und es ist über weite Strecken überhaupt nicht komisch. Dann ist der Film eigentlich gut.

Eva (Aglaia Szyszkowitz), alleinerziehende Mutter von drei Kindern – Sohn, Tochter und malendem Mann –, schuftet als Kellnerin für den Unterhalt ihrer Familie. Währenddessen ist ihr Gatte Luis (Gedeon Burkhard) der kunstfördernden Vizedirektorin einer renommierten Bank unter möglichst beengten Umständen sexuell zu Diensten. Nachdem Eva dahinterkommt, daß Luis sich mit Charlotte (Hilde van Mieghem) eine schöne Woche in der Lagunenstadt macht, will sie ihn unbedingt wiedergewinnen und fährt ihm nach. Um auch die Geliebte unschädlich zu machen, kidnappt sie gleich noch deren Ehemann Nick (Heino Ferch).

Die Kameraeinstellung wechselt also zwischen dem zunehmend gelangweilten Luxuspaar im Luxushotel und der wildentschlossenen Hausfrau, die ihre Kinder und den Anwalt unter immer armseligeren Umständen über die Alpen nach Venedig treibt. Und weil der Film eine Komödie ist, ist das Luxusleben schal und das armselige aufregend und reich; und das Kinderpaar, der Klotz am Bein von Eva, ist das Wunderpaket, das ihren Furor legitimiert. Der nötigt Nick den entscheidenden Respekt ab, damit er sich schließlich in alle drei verliebt.

Das alles ist vorhersehbar und etwas mühsam konstruiert, gewinnt aber zunehmend an Fahrt und burleskem, rauhem Charme. Und anders als in deutschen Komödien üblich, läßt Eva am Ende ihren Kindmann einfach stehen und entscheidet sich für jenen straighten Anwalt, den Heino Ferch überzeugend und selbst in seinen schwachen, das heißt menschlichen Momenten konsistent gibt. Nick, so sieht es aus, könnte vom Machtmenschen und vorgeblichen Verantwortungsträger möglicherweise wirklich zum verantwortungsbewußten Mann werden. Frauen haben eben eine Schwäche für gute Väter. Spießig? Ach ja?

Schwäche für den Sieg des Guten

Auch anderswo werden Märchen erzählt. Doch dort muß der Auftritt starker Frauen nicht die Form der Komödie haben. In Hongkong jedenfalls lassen die Frauen deshalb jegliche Schwächen missen. Sie sind tatsächlich jung, sie sind gut verheiratet wie „Wonder Woman“, zufriedene Einzelgängerinnen wie „Thief Catcher“ oder eine getreue Sklavin des Bösen wie „Invisible Girl“. Doch halt. Die Schwäche des „Heroic Trio“ ist es, dem Sieg des Guten über das Böse weiterzuhelfen. Da befreit sich selbst „Invisible Girl“ aus der Macht von Chan, dem ultimativen Übel, einer hundert Jahre alten dämonischen Vaterfigur mit weiblicher Stimme, deren Reich die Kanalisation ist.

Achtzehn männliche Babys hat „Invisible Girl“ schon entführt, weil Chan die Herrschaft über die Welt an sich reißen will. Das gelingt ihm aber nur, wenn Chan den rechtmäßigen Herrscher, den Kaiser von China, aus dem Weg schafft. Nun heißt es aber, der werde in diesen Tagen geboren. Der Kriminalfall läßt Inspektor Lau ratlos. Bis er mysteriöse Hilfe erhält.

Die Ikonen des Hongkong-Kinos, Maggie Cheung (Thief Catcher) und Anita Mui (Wonder Woman) sowie Michelle Yeoh, die erst kürzlich James Bond vor dem Schlimmsten bewahrte, vereinen alle Tugenden, die man von den Frauen erwarten darf. Sie schlagen und treten hart zu; sie sind die schönsten Kriegerinnen und dazu wundervolle Akrobatinnen auf den Drahtseilen der Telefon- und Stromleitungen; sie haben magische Kräfte und vergiftete Pfeile – und sie stecken in den hinreißendsten Klamotten. Kurz, sie sind tapfer, edel und gut. Und sie sind, das ist das Beste, phantastisch unterhaltsam. Auch wenn sie eine Schwäche für Babys haben.

„Die Schwächen der Frauen“. Regie: Luis Galvao Teles. Mit Miou- Miou, Marthe Keller, Guesch Patti, Marisa Berenson, Carmen Maura. Portugal 1997, 97 Min.

„2 Männer, 2 Frauen, 4 Probleme“. Regie: Vivian Naefe. Mit Heino Ferch, Aglaia Szyszkowitz, Gedeon Burkhard, Hilde van Mieghem. Deutschland 1997, 93 Min.

„Heroic Trio“. Regie: Johnny To, Ching Siu Tung (Kampfkunst- Choreographie). Mit Maggie Cheung, Anita Mui, Michelle Yeoh. Hongkong 1993, 105 Min.