Interview
: „Die Spieler sind jetzt normale Arbeitnehmer“

■ vdv-Anwalt Norbert Nasse über den Fall des Paragraphen 11 und die Auswirkungen

taz: Obwohl das Urteil nur noch etwa 20 Verträge betrifft, will DFB-Vizepräsident Mayer-Vorfelder angeblich einen „Musterprozeß“ führen, um die Rechtswidrigkeit des Paragraphen 11 wieder aufzuheben. Soll er?

Norbert Nasse: Er kann es versuchen. Er muß aber berücksichtigen, daß wir zwei Meinungen haben. Das Klos-Urteil sagt, Paragraph 11 ist rechtswidrig, das andere im Fall des Dänen Beck, er sei rechtsgültig. Insofern würde ein solcher Prozeß Rechtsklarheit bringen, wenn man ihn bis zum Bundesarbeitsgericht führen würde. Andererseits sollte man beim DFB anerkennen, daß die fast schon arrogante Haltung, daß der Paragraph rechtmäßig sei, so nicht gegeben ist.

Die vdv hat das Urteil begrüßt. Ist es tatsächlich gut für Ihre Klienten?

Die vdv hat da eine objektive Haltung eingenommen. Es gibt Spieler, die davon profitieren, und andere, die darunter leiden könnten. Die vdv hat natürlich das Hauptaugenmerk auf dem ganz schwachen Spieler, der über Paragraph 11 eventuell noch mal verlängern und über ein Jahr seine Bezüge sichern will. In dem Moment, wo man eine rechtswidrige Situation gutheißt, begibt man sich natürlich in die Hände der Gegenseite. Was nicht angestrebt werden kann.

Hat Klos „grob kameradschaftswidrig“ gehandelt, wie das der Anwalt Christoph Schickhardt schon dem Profi Beck vorgeworfen hatte?

Nein. Das eine bedingt nicht das andere. Die Profis haben ja für sich gekämpft, aus Arbeitnehmerhaltung. Das Beharren auf Paragraph 11 ist die Arbeitgebersicht.

Was wird aus Spielern, die mit Paragraph 11 ihren Arbeitsplatz sichern wollen?

Eine objektive Begutachtung kommt zu dem Ergebnis, daß Paragraph 11 rechtswidrig ist. Das bedeutet aber nicht, daß es nicht unter Umständen statthaft sein kann, daß ein Spieler Paragraph 11 zieht. Der ist im Musterarbeitsvertrag über die Vereine vorgegeben worden. Die Arbeitgeberseite hat also diesen Vertrag vorgegeben, nicht der Arbeitnehmer.

Dem Spieler...

...ist dieser Paragraph aufgezwungen worden, er hatte keine Wahl. Damit kann der Arbeitgeber konsequenterweise Paragraph 11 nur sehr viel eingeschränkter angreifen. Wie sich das juristisch auswirken würde, müßte geprüft werden.

Ist nicht der entscheidende Punkt, daß mit dem Urteil der DFB und Vereine weiter gestutzt werden?

Es ist ein weiteres Steinchen eines Prozesses, der spätestens im letzten Jahrzehnt begonnen hat. Das Fußballgeschäft ist in den letzten 20 Jahren sehr kommerzialisiert worden, die logischen Konsequenzen wurden vielleicht von den Vereins- und DFB-Verantwortlichen unterschätzt. Man hätte sich längst nach Alternativsystemen umschauen müssen, wie eine wirtschaftliche Absicherung von Fußballvereinen und das ganze System funktionieren kann.

Was ist mit den „wirtschaftlichen Überlegungen“ der Vereine, die die Entscheidung als „nicht schützenswert“ vernachlässigten, wie DFB-Justitiar Eilers klagt?

Wenn ich das jetzt wieder höre! Wenn man das durch die Vereinsbrille sieht, mag das nachvollziehbar sein. Aber ich kann doch zweieinhalb Jahre nach Bosman nicht mehr ernsthaft davon reden, daß das Fußballsystem davon lebt, daß eine Transfersumme bezahlt werden muß. Auf die wenigen Spieler, bei denen Paragraph 11 noch zur Anwendung kommt, kann es nicht ankommen.

Auch liberale Kommentatoren reden nun davon, die Angestellten seien nunmehr endgültig „zu Bossen aufgestiegen“.

In einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist ein ehemaliger Arbeitnehmer oft ein Boss gegenüber seinem Boss – weil die Rechtsprechung zu Recht sehr arbeitnehmerfreundlich ist. Ich würde aber nicht sagen, daß die Spieler die Bosse im Fußballgeschäft sind. Die Spieler haben jetzt nur die Möglichkeiten, die ein normaler Arbeitnehmer hat. Mittlerweile ist ein Spieler halt nicht mehr so sehr von der Macht des Faktischen beeinflußt wie zu der Zeit, als der DFB dieses geschlossene System hatte, wo nach dem Motto „Wo kein Kläger, da kein Richter“ ein rechtsfreier Raum geschaffen wurde und man nach Gutdünken handeln konnte.

Wenn morgen ein Profi zu Ihnen kommt und Paragraph 11 ziehen will – was tun Sie?

Das ist natürlich mehr eine moralische Frage. Ich würde versuchen, einen Konsens mit dem Verein zu finden. Interview: Peter Unfried