■ Ein israelischer Soldat tötet drei palästinensische Arbeiter
: Berechtigte Empörung

Die Empörung auf palästinensischer Seite ist verständlich. Und sie ist berechtigt. Denn die einzige Schlußfolgerung, die der tödliche Zwischenfall von Hebron zuläßt, lautet: Ein palästinensisches Leben zählt nicht viel in den Augen israelischer Soldaten. Wenn diese ohne Vorwarnung das Feuer eröffnen, wie Augenzeugen berichten, stellt sich in der Tat die Frage nach ihrer Ausbildung. Und ihrer Moral.

Gewiß, die israelische Armee hat eine Untersuchung zugesagt. Und Ministerpräsident Netanjahu hat Palästinenserpräsident Arafat telefonisch sein Bedauern ausgesprochen. Doch die Schüsse fielen in einer Alltagssituation, die sich so Hunderte Male am Tag abspielt. Das macht ihre Tragik aus und die Gefahr einer Wiederholung so groß.

Auf der Heimfahrt werden palästinensische Transitbusse an Kontrollpunkten gewöhnlich durchgewunken, zumal, wenn sie voll besetzt sind mit Arbeitern. Dieser Bus wurde allerdings kurz angehalten, kontrolliert und dann zur Weiterfahrt freigegeben. Angesichts dieser Umstände riecht die erste Erklärung der israelischen Armee, der Wagen habe den Posten überfahren wollen, sehr nach bloßer Schutzbehauptung, zumal das die Standardversion nach jedem Zwischenfall an einem Kontrollpunkt ist. Selbst die angebliche Verletzung eines Soldaten wurde in israelischen Sicherheitskreisen als durchaus gängige Verschleierungstaktik bezeichnet.

Die palästinensische Forderung nach einer unabhängigen, international besetzten Untersuchungskommission ist deshalb nicht unberechtigt. Und dies noch aus einem zweiten Grund. Soldaten, die in früheren Fällen grundlos palästinensische Zivilisten beschossen haben, wurden für geistesgestört erklärt, auch wenn sie selbst ihre Tat ideologisch begründeten. So geschehen kurz nach dem Hebron-Abkommen im Februar 1997, als ein israelischer Soldat sieben Palästinenser anschoß, ehe er von Kameraden überwältigt wurde. Sein Motiv: Er wollte den Abzug der israelischen Armee aus Hebron verhindern.

Wenn Soldaten sich bedroht fühlen, dürfen sie laut Regularium der israelischen Armee scharf schießen. Mit dieser Gummiformulierung läßt sich aber nahezu jede Untat rechtfertigen. Ohne direkte Bedrohung hätten die Soldaten erst einmal Warnschüsse abgeben oder höchstens in die Reifen des Fahrzeuges schießen dürfen. Da sie das nicht gemacht haben, nennen die Palästinenser die Tat einen kaltblütigen Mord. Die israelische Armee dürfte Mühe haben, diese Behauptung zu widerlegen. Georg Baltissen