"Ich erwarte eine Erklärung von Kanther"

■ Niedersachsens Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) fordert, daß der Bundesinnenminister einen Abschiebestopp für Kosovo-Albaner verhängt

taz: Zunächst eine Woche lang sollen von Niedersachsen aus keine Flüchtlinge in den Kosovo abgeschoben werden. Reicht diese Maßnahme aus?

Gerhard Glogowski: Wir haben die Abschiebungen von Albanern aus dem Kosovo ausgesetzt. Diese Aussetzung gilt so lange, bis ich eine eindeutige und nachvollziehbare Erklärung des Auswärtigen Amtes und des Bundesinnenministers zur Lage im Kosovo habe.

In Ihrem Brief an Ihre Länderkollegen schrieben Sie lediglich, Niedersachsen würde „in dieser Woche“ keine Abschiebungen mehr vornehmen.

Ich erwarte eine schnelle Erklärung des Bundesinnenministers und vor allem einen neuen Lagebericht des Auswärtigen Amtes. Der Bundesinnenminister muß jetzt einen Abschiebestopp für Albaner aus dem Kosovo verhängen. Das ergibt sich zwingend aus der Situation, wie sie sich für mich im Kosovo darstellt. Konkret haben wir die Abschiebung all derjenigen Albaner aus dem Kosovo gestoppt, die nicht straffällig geworden sind. Dieser Stopp gilt nicht für Serben aus Restjugoslawien.

Ein Bundesland kann auch allein für ein halbes Jahr einen Abschiebestopp verhängen. Warum machen Sie das nicht?

Wir haben eine eindeutige Erklärung der Innenministerkonferenz, daß wir im Alleingang keinen Abschiebestopp mehr verhängen wollen.

Dieser Beschluß sieht aber auch eine Einigung der Länder durch ein sogenanntes Konsultationsverfahren vor – erst dann kann es einen Abschiebestopp geben.

Dieses Konsultationsverfahren habe ich jetzt mit meinem Brief an die Länderkollegen eingeleitet. Die letzten Berichte aus dem Kosovo zeigen doch, daß unter den Opfern der Auseinandersetzungen, unter den Toten, die es dort gegeben hat, viele Kinder, Frauen und alte Menschen sind. Diese Opfer kann ich nicht als die Terroristen ansehen, gegen die die serbische Seite dort nach eigener Aussage angeblich nur Krieg führt. Von daher ist auch das, was bisher an Sachdarstellung des Auswärtigen Amtes über die Lage im Kosovo vorliegt, für mich nicht mehr glaubwürdig. Deswegen können wir bis zu einer Klärung der Lage durch den Bundesaußenminister nicht weiter abschieben.

Für wann erwarten Sie diese Klärung?

Das kann sehr schnell gehen. Das ist innerhalb weniger Tage möglich.

Ihre Entscheidung, die Abschiebungen in den Kosovo auszusetzen, ist in der SPD-Landtagsfraktion auf große Zustimmung gestoßen. Überrascht Sie das?

Meine Entscheidungen pflege ich von Sachtatbeständen abhängig zu machen. Daß die Landtagsfraktion meine Auffassungen billigt, weiß ich seit langem. Daß sie sie jetzt auch wieder gebilligt hat, freut mich sehr.

In Niedersachsen ist der Wahlkampf zu Ende. Wollen Sie deswegen nicht mehr den Hardliner in Flüchtlingsfragen spielen?

Wer immer mir Härte oder Kantherismus unterstellt hat, kennt mich nicht, der lag von vornherein daneben. Ich habe es hier mit Menschen zu tun. Da sind Wahlkampftermine völlig neben der Sache. Wer Menschenschicksale von Wahlkampfterminen abhängig macht, verhält sich nach meiner Auffassung inhuman. Ich würde so etwas niemals tun. Interview: Jürgen Voges