Kommentar: Kanthers Komplizen
■ Algerien: Intellektuelle fordern Aushebelung des Asylrechts
Der Publizist Hans Christoph Buch, Initiator eines offenen Briefes, den Wolf Biermann, André Glucksmann und andere Intellektuelle unterstützen, ist auf dem besten Weg, das Asylrecht auszuhebeln. Denn indirekt fordert er, daß nur politisch korrekte Flüchtlinge hierzulande Asyl bekommen sollen. Islamisten, wie der FIS- Auslandssprecher Rabah Kebir dagegen, müssen draußen bleiben.
Natürlich ist es richtig, von Innenminister Kanther einen Abschiebestopp für AlgerierInnen zu fordern, übrigens im Einklang mit allen ernstzunehmenden Menschenrechtsorganisationen. Selbstverständlich ist zu kritisieren, daß bedrohten algerischen Intellektuellen, Journalisten, Schriftstellern, Frauenrechtlerinnen etc. die Einreise nach Deutschland zur Tortur gemacht wird. Nur: Warum im gleichen Atemzug bereits anerkannte Flüchtlinge als potentielle Kindermörder diskreditieren, weil sie einem politisch nicht passen? Rabah Kebir war in Algerien aus politischen Gründen inhaftiert, seine Partei ist aus ebensolchen Gründen verboten. Weil ihm ein nicht ansatzweise rechtsstaatlichen Prinzipien genügendes Sondergericht bescheinigte, er sei irgendwie in einen Bombenanschlag verwickelt, droht ihm in seiner Heimat die Hinrichtung. Gründe genug für politisches Asyl. Wer das in Frage stellt, muß sich jenen Vorwurf gefallen lassen, den Buch Kanther macht: Er mißt mit zweierlei Maß.
UN-Flüchtlingskommissarin Ogata kritisiert die „restriktive“ deutsche Asylpraxis gegenüber AlgerierInnen. Menschenrechtsorganisationen sind sich einig, daß in Algerien nicht mehr nachzuvollziehen ist, wer wen ermordet. Es herrscht Bürgerkrieg, in dessen Schatten viele Rechnungen beglichen werden. Fest steht: Die Mehrheit jener, die fliehen, tun dies aus Todesangst und verdienen Schutz.
Doch die deutschen Behörden ignorieren das. Populistisch verweigert Kanther einen generellen Abschiebestopp für AlgerierInnen und bedient statt dessen xenophobe Gefühle. Asylrecht hin oder her – Flüchtlinge haben nicht bis nach Deutschland zu kommen. Um sie wieder loszuwerden, arbeiten deutsche und algerische Behörden bei Abschiebungen bereits eng zusammen. Wer nun wie Buch verlangt, daß Flüchtlinge, um hierbleiben zu dürfen, politisch korrekt sein müssen, macht sich zum Komplizen dieser flüchtlingsfeindlichen Politik. Thomas Dreger
Bericht Seite 5
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