Kämme verzahnen sich in Haut

■ Museum für Kunst und Gewerbe: der Wandel der Modegrafik und surreale Fotografie

Die Bilder zeugen von den Zeichen der Zeit: Die Veränderung des Frauenbildes in der Mode ist ein Aspekt, den Antonio Lopez zeichnend fixiert hat: Vom puppenhaft-verzierenden Twiggy-Look am Begin der Sechziger zur Abbildung von Models mit dynamischer Linienführung, die den reinen Objektstatus der Abgebildeten negiert.

Lopez' Zeichnungen sind ein Teil der doppelten Ausstellungseröffnung, die heute im Museum für Kunst und Gewerbe stattfindet: Antonio Lopez – Drei Jahrzehnte Modegraphik und Bildräume – Diaphane Metamorphosen von Schlössern in Europa. Erstere beschreibt die dreißigjährige Schaffensperiode des puertoricanischen Modezeichners Antonio Lopez, der seine Karriere 1957 als 14jähriger bei einer Prèt-à-Porter-Firma begann und 1987 an Aids starb.

Die Kunststile seiner Zeit wirkten sich produktiv auf Lopez aus. Während in der ersten, der amerikanischen Phase die Einflüsse der Pop-Art auffallen, sind aus der Pariser Zeit ab 1968 pastellfarbene Couture-Entwürfe zum Panorama Saint Tropez' zu sehen. 1975 kehrt Lopez nach New York zurück, experimentiert mit Kosmetika als Zeicheninstrument und sucht nach vielschichtigen Figuren jenseits des White Western-Typus.

Experimentell-stilungebundene Kreativität, für andere Bereiche der künstlerischen Moderne fundamental, ist im Genre Modezeichnung in dieser Weise nie praktiziert worden. „Ich zwinge die Modernität anderswohin zu gehen, um mehr zu werden als sie ist“, lautet eine programmatische Aussage Lopez'.

Der Ausbruch aus der Fixierung eines bestimmten Stils bleibt prägend für den Künstler, auch in der Endphase seines Schaffens, als manche Werke vom Bewußtsein der tödlichen Krankheit gezeichnet sind. Schwarze Kreuze setzen sich in die Bilder oder Kämme verzahnen sich in die nackte Haut des Modells. Mode bleibt der Ausgangspunkt für die Zeichnungen, die thematisch nun aber weit über den ursprünglichen Bezugsrahmen hinausreichen, etwa, wenn Farbe wie Blut von Pinsel, Palette und einem in Torso und Gliedmaßen zertrennten Körper hinunterrinnt.

In diesen Werken gelingt eine Art von Abstraktion, die bei den reinen, zeitgeistfocussierenden Modezeichnungen undenkbar war. Der Kunstschaffende tritt ins Bild, jedoch nicht als heiter-surreales Selbstporträt mit aus dem Kopf schwirrenden Vögeln wie zuvor, sondern als sezierendes Instrument. Das Werk gewinnt im Ansatz eine metaphysische Kategorie, für die der Künstler mit dem Leben bezahlt: eine der düsteren Zeichnungen wird Freund Juan Ramos später für die Todesanzeige verwenden.

Die zweite Ausstellung zeigt Fotografien von europäischen Schlössern, die vom Künstlerpaar Eva Witter und Harald Mante zwischen 1988 und 1993 doppelbelichtet aufgenommen worden sind: Nach dem Fotografieren der Innenräume tauschten die Künstler die zurückgespulten Apparate und begaben sich in die Außenräume. Ohne Wissen von den Motiven des jeweils anderen entstanden so Zufallsprodukte sich überlagernder architektonischer Ebenen.

Die Ergebnisse sind bisweilen surrealistisch im Sinne Magrittes, indem neue Assoziationskontexte erschlossen werden, wenn Bilder an Bäumen hängen oder Gärten von Fenstern illuminiert werden. Doch hauptsächlich dienen die Bilder dazu, den in Außen-, Innen- und Gartenarchitektur dreigeteilten baulichen Entwurf des Schlosses in einem Bild verschmelzen zu lassen und so den musealen Räumen auf faszinierende Weise eine neue Form von Vitalität zu verleihen.

Folke Havekost