: Schulbilanz schöngerechnet
■ Senatorin Raab präsentiert LehrerInnen-Verschiebe-Spiel / Eltern wollen gegen „Volle Halbtagsgrundschule“ klagen Von Patricia Faller
Wieder einmal ist es Schulsenatorin Rosi Raab gelungen, eine „ausgesprochen positive Bilanz“ zum Schuljahresbeginn zu präsentieren. Doch ob die „rosigen“ Aussichten nicht doch nur Flickwerk sind, wird sich bald zeigen. Denn heute beginnt für die 212.000 SchülerInnen und 15.500 LehrerInnen die Schule wieder.
Trotz der prognostizierten wachsenden SchülerInnenzahlen und leerer Kassen hat die Schulpolitikerin eine ausgeglichene Lehrerstellenbilanz mit einem Plus von 235 Stellen hingedeichselt. Ihr Rezept für die wundersame Stellenvermehrung ist so bekannt wie umstritten: Zum neuen Schuljahr werden alle Lehrer eine Stunde mehr unterrichten müssen. Da dann rein rechnerisch an Gymnasien und Berufsschulen zu viel gelehrt würde, werden freiwerdende Kapazitäten in andere Schularten verlagert. Konkret heißt das, daß 39 Gymnasial- und Berufsschullehrer vorerst für ein Jahr, nach einer Fortbildung, künftig an Gesamt-, Real- und Hauptschulen lehren. Um die dann noch fehlenden 70 Stellen zu besetzen, wurden einige von ihnen kurzfristig für einen stundenweisen Einsatz eingeplant. Laut GEW geschah dies teilweise so kurzfristig, daß LehrerInnen nach ihrem Urlaub damit überrascht wurden. Bis zu 400 LehrerInnen sind nach Berechnungen der Gewerkschaft davon betroffen. „Mit der Organisation dieser Umsetzungen hat sich die Behörde etwas eingebrockt, was noch zu Schwierigkeiten führen wird“, glaubt der GEW-Vorsitzende Hans-Peter de Lorent. Von einer „mißlichen Lösung“ spricht selbst der Sprecher der Schulbehörde Ulrich Vieluf. Er sieht in dem Konzept aber auch die Chance, Unterrichtsaufgaben zwischen den Schulformen zu verlagern. So sollen überzählige Berufsschullehrer an sogenannten „Werkstatt-Tagen“ Schülern anderer Schulformen Berufsorientierung bieten.
Neben diesem Lehrerstellenverschieb-Spiel präsentierte die Schulsenatorin 143 neue unbefristete Lehrerstellen (nicht alles sind wirkliche Neueinstellungen) und „Einstellungsmöglichkeiten“ für etwa 90 befristete LehrerInnen. Rund die Hälfte davon wird im Grundschulbereich eingesetzt.
Sollte der Senat im September den Beschluß fassen, die „Volle Halbtagsgrundschule“ einzuführen, werden mit der Erhöhung der Unterrichtsstundenzahl auch mehr LehrerInnen benötigt. Warum einige Eltern ihren Kindern die damit verbundenen Lernchancen verbauen wollen, verstehe sie nicht, sagte Rosi Raab mit Blick auf die Kritik einer Elterninitiative. Eltern aus Marmstorf, Sasel, Bergedorf, Harburg und Poppenbüttel drohen mit einer Verfassungsklage gegen die Einführung der „Vollen Halbtagsgrundschule“. Sie sehen in dem Konzept einen erheblichen Eingriff in ihr Erziehungsrecht.
Ein neuer Ansturm auswärtiger SchülerInnen auf Hamburger Schulen sei nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts ausgeblieben, so Raab weiter. Das Gericht hatte entschieden, daß sechs SchülerInnen aus Niedersachsen vorerst in Hamburg zur Schule gehen dürfen. Daraufhin kamen sechs Neu-Anfragen, die die Behörde noch prüft.
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