Heizers Schweißtuch statt infantile Lok

■ Die Hamburger Agentur „Stadtpunkte“ bietet Gästen der Stadt wie Einheimischen ein neues Tourismuskonzept / Kulturelle Blicke hinter die Kulissen statt blöde Bustouren

Quälende Ratlosigkeit befällt den Hamburger zuweilen, wenn sich Besuch ankündigt. Denn dieser möchte etwas von der Stadt gezeigt bekommen. Wenn die obligatorische Hafenrundfahrt absolviert ist und die Speicherstadt durchwandert, ist das Repertoire der meisten Hamburger, die Freunden und Verwandten die Schönheit der Stadt näherzubringen versuchen, auch schon erschöpft.

Auf der Suche nach professionellem Beistand bestätigt ein Anruf bei der Hamburger Tourismuszentrale Befürchtungen, die man sich von einem miefigen Touristendasein gemeinhin macht. Das Angebot umfaßt Touren in Doppeldeckerbussen oder infantil anmutenden Lokomotiven, die zum Michel oder den Landungsbrücken führen und die Insassen kaum je in die Verlegenheit bringen, ihren Sitzplatz zu verlassen.

Von der Tourismuszentrale offensichtlich noch nicht wahrgenommen wurde ein Konzept der Stadtbesichtigung, das sich jenseits solch ausgetretener Pfade bewegt. Stadtpunkte Hamburg, gegründet von den Kulturmanagerinnen Heike Bartels und Susann Haltermann, wendet sich zwar vor allem an gruppenreisende Geschäftsleute, hält aber auch für Einzelreisende und Ansässige ungewöhnliche Einblicke in das Geschehen hinter altbekannten Kulissen bereit.

Hinter die des Schauspielhauses oder des Thalia Theaters beispielsweise. Die Führungen, die mit einer Theateraufführung ihren Schlußpunkt finden, ermöglichen Zutritt zu so intimen Orten wie der Kostümschneiderei oder den Garderoben der Schauspieler und halten zumindest potentiell die Möglichkeit bereit, Annette Paulmann beim Nasepudern zu beobachten.

Aber auch traditionelle Hafenrundfahrten konnten vergangenen Sonntag ihre Ergänzung in einer Führung auf dem Schwimmdampfkran Saatsee finden. Das Gefährt aus dem Jahre 1918, das zur Zeit im Museumshafen Övelgönne liegt, wurde bis in die achtziger Jahre im Nord-Ostsee-Kanal betrieben. Es diente zu Arbeiten an Fähranlegern oder Schleusen und nach dem zweiten Weltkrieg der Bergung von Schiffswracks.

Die Saatsee wurde vor kurzem vom Museum der Arbeit erworben, das eine ständige Ausstellung auf dem Schiff einrichtete. Diese setzt ihre Schwerpunkte auf die Umstände, unter denen die Seeleute auf dem Schwimmkran arbeiteten, und zeigt, was dieses Berufsleben für die Beschäftigten und deren Angehörige mit sich brachte. Stadtpunkte engagierte für ihre Veranstaltung eine Mitarbeiterin des Museums der Arbeit, die etwas von den Biografien hinter den Ausstellungsstücken, etwa den Schuhen und dem Schweißtuch des Heizers, erahnen ließ.

Wer sich ein Bild von Stadtpunkte machen möchte, kann an der nächsten öffentlichen Veranstaltung am Sonntag dem 9. September ab 11 Uhr teilnehmen. Sie befaßt sich ebenfalls mit einem Stück Hamburger Hafengeschichte, den ehemaligen Ewerführern. „Ein harter Beruf, aber riesenstarke Männer bildend, die unglaubliche Portionen an Alkoholika vertilgen können“, wie es in der Informationsbroschüre heißt.

Treffpunkt dieser Tour, der weitere folgen werden, ist der Anleger am Nikolaifleet hinter der Deichstraße. Und Frühstück gibt es auch.

Petra Langemeyer

Informationsmaterial über „Stadtpunkte Hamburg“, Mendelsohnstraße 8, 22761 Hamburg,