Axtmörderinnen und Antifaltencremes

■ Alte Frauen sind gar nicht schlecht: ein Buch, ein Film und ein Plädoyer für die alte Schachtel Joan Crawford

Wenn die Schminke bröckelt, tut sich der Abgrund auf. Natürlich: Wer als Frau beim großen Rummel in Hollywood mitmischen will, braucht als Einsatz die Jugend; diejenige aber, die schon alles verloren hat, kann es sich leisten, richtig alt auszusehen. Und während in den großen Studios immer wieder die Illusion ewiger Jugend reproduziert wird, bringt es manches betagte Auslaufmodell der Traumfabrik in den billigen Produktionen des Untergrunds zur erstaunlichen Zweitkarriere. Statt straffer Haut und silikongestärkter Stromlinienförmigkeit funktionieren in dieser B-Liga Falten und Wahnsinn und Freßsucht als Kapital.

Ob Gloria Swanson, Bette Davis, Shelley Winters oder all die anderen monströsen alten Schachteln bewußt dieses Kapital eingesetzt haben, ist nicht klar. Klar ist jedoch, daß Geltungssucht hier noch mehr als im offiziellen Hollywood den großn Impetus für eine Kunst darstellt, die in einem Punkt nicht zu toppen ist: Grausamer, ekliger, wahrhaftiger kann Kino nicht sein. Und nähme jemand das zur Zeit heftig diskutierte Thema des Ageism wirklich ernst, hätte die Wissenschaft Filme mit alten Frauen längst zum eigenen Genre erhoben.

Christoph Dompke ist zwar kein Wissenschaftler, trotzdem geht er mit Akribie zu Werke. In seiner Studie Weil doch was blieb – Alte Frauen in schlechten Filmen katalogisiert der Hamburger alle Vergehen betagter Aktricen gegen den guten Geschmack. Dompke, der im Kaberett unter dem Künstlernamen Emmi Hempel-Berti die Berufs-tunte gibt, dokumentiert pedantisch: Er weiß genau, bei welchen verglühten Sternchen die Perücke schief sitzt, wer wann wo welche Liftung erhalten hat, und er kann die Stellen benennen, bei denen die zerknitterten Damen, von Alkohol oder Tabletten betäubt, zu lallen anfangen. Doch dieser etwas altbackene Trash-Kult und Camp-Humor, der offensichtlich in der Gay-Szene beim Kaffeeklatsch noch exzessiv betrieben wird, verhindert manchmal das Erkennen von wirklich großen Momenten. Viele Schauspielerinnen wurden mit den Jahren nämlich besser.

Das gilt gerade für eines von Dompkes Hauptopfern, Joan Crawford. „Das Wichtigste, worüber eine Frau verfügen kann, ist, neben ihrem Talent natürlich, ihr Friseur.“So zitiert der Autor die Diva – und spricht ihr beides ab, Talent und Friseur. Als Beispiel führt er den letzten Film der damals reichlich abgetakelten Crawford an, den er Sonntag auch zur Präsentation seines Buches im Metropolis zeigt: Trog (Das Ungeheuer). Ein schauerlicher C-Movie, in dem die Crawford besoffen durchs Bild wankt.

Aber das war nur der Abgesang einer Frau, die im Alter eigentlich besser war als je zuvor. Bei ihrem prägnantesten Auftritt war sie bereits Ende vierzig: In knalligem Rot mimt sie für Nicholas Rays Meta-Western Johnny Guitar 1954 die Gun Lady. Der Mann spielt hier nur Gitarre, aber sie gibt den Ton an. Joan Crawford war beileibe keine Frau der leisen Töne, Aggression und Sexualität spielte sie offensiv aus. Und wenn der Regisseur gut war, war sie brillant. So 1964 in Strait-Jacket, wo sie mit der Axt ihren untreuen Ehemann auseinander nimmt. Inszeniert wurde der Schocker vom legndären B-Movie-Experten und Trivialpsychologen William Castle, der seine gelungensten Filme mit angejährten Darstellerinnen drehte.

Die Rolle der durchgeknallten Alten paßte der Ex-Telefonistin aus Kansas City wie angegossen; alkoholbedingte Ausfälle gingen durch die Klatschpresse, außerdem prügelte sie ihre Adoptivtochter, die sich später mit einer indiskreten Biographie gerächt hat. Wer an Enthüllungsstories glaubt, kann in der Crawford eine Ikone der Niedertracht und Gefallsucht sehen. Aber auch ohne Schlüsselloch-Infos wird sie niemand vergessen, der sie einmal in Whatever Happened To Baby Jane? von Robert Aldrich gesehen hat. Lammfromm kutschiert sie hier im Rollstuhl durch die Gegend, um insgeheim die ebenfalls nicht mehr ganz frische Bette Davis zu tyrannisieren. Macht, Moral, kaputter Sex – Joan Crawford spielte um ihr Leben.

Christian Buß

Lesung und Film: Sonntag, 20 Uhr, Metropolis

Christoph Dompke: „Was noch blieb – Alte Frauen in schlechten Filmen“, MännerschwarmSkript Verlag Hamburg, 144 S.