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„Das versaut die Stadt“

Seit einer Woche wird über den Abriß des Schöneberger Sozialpalastes und des Neuen Kreuzberger Zentrums „NKZ“ heftigst diskutiert. Ein Rückblick auf eine Wahlkampfdebatte  ■ Von Uwe Rada

Klaus Rüdiger Landowskys Schüsse kommen immer aus der Hüfte. Dennoch trifft der Fraktionsvorsitzende der CDU im Abgeordnetenhaus meistens ins Schwarze. Das war bei seinem „Ratten und Gesindel“-Zitat so, und es ist bei der angedachten Sprengung von „Problemsiedlungen“ wie dem Sozialpalast in Schöneberg und dem „Neuen Kreuzberger Zentrum“ (NKZ) am Kottbusser Tor wohl nicht anders.

Das Schwarze, das ist bei Landowsky vor allem der Umstand, die eigenen Law-and-order-Parolen ins rechte Licht zu rücken. „Man muß Mut haben, Gebäude wie das Neue Kreuzberger Zentrum oder den Sozialpalast zu sprengen“, verriet Landowsky Anfang der Woche dem Tagesspiegel.

Die Orte, so der CDUler weiter, seien „Kriminalitätszentren, die kriegt man sonst nicht in den Griff“. Sekundiert wurde Sheriff Landowsky vom einsamen Rancher der SPD, Strieders Staatssekretär in der Stadtentwicklungsverwaltung, Hans Stimmann. Stimmann zu Landowsky: „Sie haben recht. Das ist ein Tabuthema, aber vielleicht sollte man das NKZ in der Tat abreißen, das versaut die Stadt. Das ist ein sozialer Brennpunkt.“ Es ist nicht so sehr Landowskys durchsichtiges Wahlkampfmanöver, das der Abrißdebatte um „Problemgebiete“ eine neue Dimension verschafft, sondern Stimmanns Wort von den sozialen Brennpunkten, die die Stadt versauten. Spricht da einer, der nicht nur „Ratten und Gesindel“ weghaben möchte, sondern die sozialen Problemfälle der Stadt gleich dazu? Wer, so fragt sich, darf dann überhaupt noch in Berlin leben?

Neues Kreuzberger Zentrum, Dresdner Straße: Schon vor der Wende hat der Eigentümer der Dresdner Straße 8 ein Klingeltableau Pariser Provenienz an der Haustür anbringen lassen. Wer ins Haus möchte, muß den richtigen Code wählen — eine Präventionsmaßnahme, die nicht nur die Dealer vom Hinterhof abhält, sondern auch zahlreiche Besucher von den Mietern.

Gedealt und gedrückt wird nun in den zahlreichen Durchgängen, die unter dem NKZ von der Dresdner Straße zum Kottbusser Tor führen. Das ist für viele Bewohner eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Aber es ist eben auch ein Indikator für die zunmehmende Armut und Verelendung in Kreuzberg — nicht nur der Drogenabhängigen, sondern eines viel größeren Teils der Bevölkerung. Sollen die nun alle weg aus Kreuzberg? Verdrängung durch Abriß?

„Gerade diese Menschen im Kiez zu halten“ ist für den bündnisgrünen Bürgermeister Franz Schulz eine immer wichtiger werdende Aufgabe der Kommunalpolitik. Auch Schulz sieht natürlich die Probleme im und um das NKZ. Und er sieht die — zumeist vergeblich gebliebenen — Bemühungen um Verbesserung. Bereits vor zehn Jahren waren sich im Zusammenhang mit der IBA Bezirk und Bewohner einig, daß ein Abriß der gewerblichen Vorbauten vor dem NKZ erhebliche Verbesserungen schaffen würden. Zahlreiche Durchgänge und „Angsträume“ würden verschwinden, die Sichtbeziehung zwischen Dresdner Straße und Kottbusser Tor würde wieder hergestellt werden. Allein, der Eigentümer verhinderte eine Lösung. Er stellte sich quer.

Wenn man wirklich wollte, bringt Schulz das Thema nun wieder auf die Tagesordnung, könnte man diese Gewerbebauten auch heute noch abreißen. Noch immer sei das Kottbusser Tor Sanierungsgebiet, der Abriß könnte also als Sanierungsziel definiert und gegen den Willen des Eigentümers durchgesetzt werden. Nur wer soll das bezahlen? Der Bezirk? Die Bauverwaltung? Die Finanzsenatorin?

Immerhin hat sich nun auch Stimmanns Vorgesetzter Peter Strieder eingesetzt. Die für den Abriß der Vorbauten und andere Maßnahmen erforderlichen Mittel von 15 Millionen Mark, so Strieder, stellten nur ein Bruchteil der Kosten für einen Gesamtabriß dar.

Allein durch bauliche Maßnahmen, das weiß aber auch Franz Schulz, der Kreuzberger Bürermeister, lassen sich soziale Probleme nicht lösen. Schulz setzt deshalb auf einen „kommunitaristischen Ansatz“. Auf einer Bürgerversammlung sollen demnächst die verschiedenen Problemlagen erörtert werden. Hilfe zur Selbsthilfe, sagt Schulz, kann es beim NKZ aber nur geben, wenn das gesamte Areal um das Kottbusser Tor eingebunden wird. „Die Einzelhändler und Gewerbetreibenden müssen da genauso eingebunden sein wie die Mieter der einzelnen Neubaublöcke.“

Der von Landowsky und Stimmann geforderte Gesamtabriß des NKZ ist für Schulz eine Scheindebatte. Eine mit Tradition freilich: Bereits Anfang der achtziger Jahre hatte sich der damalige Kreuzberger „Abrißstadtrat“ Kliem für eine Tabula-rasa-Politik am „Kotti“ stark gemacht.

Ginge es nach Kliem, hätte man halb Kreuzberg zum „Parkplatz für Schöneberg“ machen können. So brutal sich das heute anhören mag, so eindeutig war Kliems Stoßrichtung. Kreuzberg, das war für ihn der Ort linksradikaler Krawalle und autonomer Gegenentwürfe.

Für Stadtentwicklungsstaatssekretär Stimmann ist Kreuzberg dagegen „sozialer Brennpunkt“, der die Stadt „versaut“. Selten hat sich die Abneigung eines Politikers gegenüber den Bewohnern einer Stadt so deutlich gezeigt. Die Große Koalition von selbsternannten Sheriffs und sozialhygienischen Ranchern bläst zum Wahlkampf. Doch die Wähler, die sie wählen sollten, will man eigentlich am liebsten los sein.

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