Interview
: „Mit dem Sport verdiene ich nichts“

■ Gespräch mit dem deutschen Paralympics-Star Frank Höfle (30)

taz: Wie beurteilen Sie das sportliche Niveau der Paralympics von Nagano?

Frank Höfle: Man darf sich nichts vormachen: Die Paralympics sind in Teilen noch immer eine Breitensportveranstaltung, etwa wenn ich sehe, daß im Eisschlittenfahren im Prinzip nur Norwegen und Japan gegeneinander antreten und in einer Schadensklasse gar nur drei Athleten. Es gibt noch immer nicht genügend Nationen, die mit den behinderten Spitzensportlern leistungsorientiert arbeiten.

Schmälert das Ihren Gesamteindruck von diesen Paralympics?

Nein. Ich habe nun fünf Winter – und auf dem Tandem zwei Sommer-Paralympics erlebt. Nach Barcelona und Lillehammer dachte ich, es könne keine Steigerung mehr geben, aber diese Veranstaltung hier ist super – von der Organisaton, dem Ablauf der Wettkämpfe, selbst von der Unterbringung und dem Essen her. Sie steht Lillehammer in nichts nach. Deswegen sehe ich auch die Tendenz im Behindertensport sehr positiv. Wir haben noch nicht die richtigen Olympischen Spiele, können aber langsam daran kratzen. Mich beeindruckt insbesondere das enorme Zuschauer- und Medieninteresse.

Können Sie inzwischen Ihre Erfolge gewinnbringend vermarkten?

Es hieß einmal, ich sei der zweitbestverdienende Langläufer Deutschlands hinter Jochen Behle. Das stimmt, weil ich gleichzeitig 42 bis 45 Stunden die Woche als Controller in einer Reha-Firma arbeite.

Welche Trainingsumfänge gestattet Ihr Beruf?

Im Schnitt trainiere ich über das Jahr 16 Stunden pro Woche: 1.500 Kilometer zu Fuß, 1.500 mit dem Skiroller, 3.500 auf Skiern und 6.500 auf dem Fahrrad. Das entspricht nicht ganz dem Nichtbehindertenbereich, aber ist ein gewaltiger Aufwand, der sich nur bewerkstelligen läßt, weil meine Familie dahintersteht.

Das Sponsoreninteresse am Behindertensport ist in letzter Zeit gewachsen.

Durch die Medienpräsenz wächst auch unsere Werbetauglichkeit. Ich selbst habe fünf Sponsoren, aber die 15.000 Mark im Jahr, die ich bekomme, sind entweder Sachleistungen oder gehen voll in den Unterhalt. Mit dem Sport verdiene ich nichts, höchstens durch die Medaillenprämien hier. Es ist auch schade, weil wir außer den Paralympics eigentlich keine Plattform haben. Die normalen Weltcups interessieren keinen Menschen. Ich habe dabei noch den Vorteil, daß ich in Sydney 2000 wahrscheinlich wieder mit dem Tandem dabei bin.

Verändert sich etwas durch die Gründung des „Team Deutscher Behindertensport“ mit vier namhaften Firmen?

Ich sehe das sehr skeptisch. Für die Medienpräsenz ist plötzlich nicht mehr die sportliche Leistung entscheidend, sondern wer welchen Sponsor auf der Brust trägt. Ich habe auch das Gefühl, daß die Sponsoren sehr starken Einfluß auf den Verband nehmen. Mir fehlt ein wenig die Transparenz: Da wird über Agenturen abgerechnet, und ich sehe nur, daß ich drei Aufnäher mehr auf meiner Kleidung habe, aber nichts von dem Geld. Mich wundert auch, wie Entscheidungen gefällt werden: Ich bin hier der zweiterfolgreichste Langläufer, aber ich bin nicht einmal angesprochen worden.

Bei allen Erfolgen sind Sie selbst nicht unumstritten: Manche meinen, Sie könnten besser sehen, als Sie zugeben.

Stimmt. Das ist sehr verletzend. Auch hier lief wieder vor den Wettkämpfen ein Protest gegen meine Klassifizierung. Es ist ohnehin die Olympiade der meisten Proteste: Leute werden heimgeschickt, weil sie nicht behindert sind oder nicht so stark, wie sie vorgeben. Bei Nichtbehinderten gibt es die Dopingvorwürfe, bei uns wird gesagt, der sieht besser, als er sagt. Ich bin kein Traumtänzer: Auch bei uns wird mit sehr harten Bandagen gekämpft. Aber es ist doch rein menschlich, daß es Neider gibt, wenn einer überragend ist. Trotzdem sind wir eine Super- truppe hier. Interview: Jörg Winterfeldt