Mit Mut und mit Risiko

Nach dem glorreichen 104:71-Sieg gegen Saloniki steht Alba Berlin im Viertelfinale der Basketball-Europaliga  ■ Aus Berlin Matti Lieske

Je länger Svetislav Pesic nach Alba Berlins glamouröser Basketball-Show beim 104:71 gegen Paok Saloniki redete, desto munterer polterten die Superlative. „Unser bestes Spiel der Saison“, wurde zu einem der „vielleicht besten Spiele überhaupt, seit ich hier Trainer bin“, und der „hübsche Sieg“, den Paok-Coach Zvi Sherf den Berliner konzedierte, war in Pesics Diktion nichts weniger als „grandios“, was er zur Vorsicht gleich zweimal betonte. Den Blick für die Realität verlor der temperamentvolle Serbe aber auch angesichts des Einzugs ins Viertelfinale der Europaliga gegen AEK Athen nicht. Sportlich sei diese Leistung zwar höher einzuschätzen als der Gewinn der Europameisterschaft mit der Nationalmannschaft, aber wirklich am Ziel sei man nur dann, „wenn man Erster ist“. Ein grandioser Sieg durchaus, aber: „... noch kein grandioser Erfolg“.

Zuvor hatten 9.000 Zuschauer in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle kaum ihren Augen getraut, als die Berliner das Team aus Griechenland, welches sich in den ersten beiden Partien als ebenso starker wie unangenehmer Gegner erwiesen hatte, schlicht in Grund und Boden spielten. Was immer Alba versuchte, es funktionierte, und Pesics Philosophie, daß sich im Basketball alles wie von selbst ergebe, wenn man nur starke Defense spiele, ging auf wie selten zuvor. Schlüsselfigur des Matches war Henning Harnisch, der vom Coach anschließend eine persönliche Eloge gewidmet bekam. „Mit seiner Einstellung und seiner Spielweise hat Henning gezeigt, wie man in Europa spielen muß: mit Risiko und mit Mut, dann kommt Qualität heraus“, sagte Pesic. Ein etwas verklausuliertes Lob aus dem Munde des Basketball-Strategen, das frei übersetzt nichts anderes heißt als: „Phantastische Partie“.

Harnisch verurteilte mit seiner resoluten Abwehrarbeit nicht nur den 20jährigen Predrag Stojakovic, für Pesic „das größte Talent der Welt, wie es nur alle zehn oder zwanzig Jahre vorkommt“, fast zur Wirkungslosigkeit, sondern nutzte auch dessen Schwächen in der Defense rigoros aus. Nach sieben Minuten hatte er bereits zehn Punkte erzielt, zur Pause waren es 16, und am Ende seines Arbeitstages, als er Mitte der zweiten Halbzeit Platz nehmen durfte, da alles entschieden war, standen 22 Punkte bei hundertprozentiger Trefferquote. „Manchmal gibt es Tage im Leben eines Sportlers, an denen einfach alles klappt“, sagte Harnisch später, noch leicht konsterniert von der Perfektion seiner Vorstellung.

Zvi Sherf zeigte sich wenig auskunftsfreudig über die Darbietung seines Jungstars, der in der Europaliga bislang über 21 Punkte im Schnitt geholt hatte und sich in Berlin mit elf Zählern bescheiden mußte. „Ich stelle keinen meiner Spieler an den Pranger“, erklärte der israelische Coach, räumte ein, daß es nicht gelungen sei, Harnisch und Karassew wie gewünscht zu kontrollieren, meinte aber auch, daß Saloniki angesichts der „unglaublichen Trefferquote“ des Gegners ohnehin verloren hätte. 85 Prozent der Dreipunktversuche Albas, 90 Prozent der Freiwürfe und 70 Prozent der Zweier landeten im Korb, logisch, daß der Vorsprung, der bei Halbzeit schon 23 Punkte betragen hatte, unter diesen Umständen stetig wuchs.

Für Svetislav Pesic ist der Einzug in die Runde der besten acht Teams in Europa eine doppelte Genugtuung, bestätigt er doch seine Auffassung, daß es im Basketball auf die Mannschaft und nicht auf einzelne Spieler ankommt, auch wenn Harnisch und Karassew (28 Punkte) am Donnerstag abend deutlich herausragten. Mit Superstars gespickte Teams wie Olympiakos Piräus, FC Barcelona oder Real Madrid sind ausgeschieden, das kleine Alba Berlin mit seinem vergleichsweise bescheidenen Etat hat dagegen die sehr große Chance, in den Spielen gegen AEK Athen die Endrunde zu erreichen. Die anderen Teilnehmer des Final-Four-Turniers werden in den Partien Kinder Bologna - Teamsystem Bologna, Partizan Belgrad - ZSKA Moskau und Treviso - Efes Istanbul ermittelt.

Die Athener, die Heimrecht im ersten (24.3.) sowie eventuellen dritten Spiel (2.4.) haben und am 26.3. in Berlin antreten, sind für Alba alte Bekannte aus der Vorrunde. Damals wurde in Athen gewonnen, in Berlin verloren, allerdings haben sich die Griechen seitdem mit dem NBA-Spieler Willie Anderson (zuletzt) Miami Heat verstärkt. „Das wird schwer, gegen AEK zu gewinnen“, prophezeite Salonikis Zvi Sherf, doch Svetislav Pesic demonstrierte sein gewohntes Selbstbewußtsein: „Wenn wir so spielen wie gegen Paok, gewinnen wir. Egal, gegen wen wir spielen.“ Es sei nur schade, fügte er hinzu, „daß man solche eine Leistung nicht konservieren kann“.