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Rot-Rosa-Grüne sind ganz siegesgewiß

Bei den morgigen Regionalwahlen in Frankreich hofft die Regierungsallianz aus Sozialisten, Kommunisten und Grünen flächendeckend auf Mehrheiten. Vor allem nationale Themen bestimmten den Wahlkampf  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Eigentlich geht es um Kommunalpolitik. Aber in die Niederungen von Schul- und Straßenbau, um Kindergärten und um Gesundheitszentren ist in der Kampagne für die morgen in Frankreich stattfindenden Kantonal- und Regionalwahlen kaum jemand hinabgestiegen. Statt dessen konzentrierten sich die WahlkämpferInnen auf die Regierungsarbeit der Rot- Rosa-Grünen. Während der Premierminister und seine MinisterInnen, von denen viele jetzt zusätzlich für die kommunalen Posten kandidieren, das Loblied auf ihre „gauche plurielle“ (vielfältige Linke) sangen, schoß sich die Gegenseite auf sie ein – freilich ohne viel Optimismus.

Die 22 Regionen in der französischen „Metropole“ – plus die vier in den überseeischen Gebieten – die erst infolge der Mitterrandschen Dezentralisierung seit 1986 gewählt werden, sind begehrt. Zumindest für WahlkämpferInnen: 15.421 KandidatInnen bewerben sich um die 1.829 Ämter als Regionalräte in der „Metropole“. Sie werden morgen im für Frankreich ungewöhnlichen Verhältniswahlrecht bestimmt. Den Erfolgreichen unter ihnen winken sechsjährige, krisensichere und mit zwischen 3.000 und 5.000 Mark monatlich relativ gut dotierte Posten.

Auch in den 96 (plus 4) Départements, die sich aus Kantonen zusammensetzen, ist die Entschädigung nennenswert. Die Wahl ihrer Vertretung allerdings findet nach dem Mehrheitsrecht statt, das in den meisten Fällen zwei Durchgänge verlangt – morgen und am kommenden Sonntag. In der konkreten Arbeit überschneiden sich die Kompetenzen von Kantonen und Regionen vielfach. Gemeinsam ist ihnen, daß sie lokale Steuern erheben und kleinere Infrastrukturmaßnahmen finanzieren.

Das Ziel der siegesgewissen Rot-Rosa-Grünen bei den Wahlen ist klar: Sie wollen ihre starke Position im Parlament jetzt auch auf die Regionen und Kantone ausweiten. Neun Monate nach ihrem überraschenden Einzug in die Regierung erwarten sie, daß die Bevölkerung ihnen Beifall spendet. Und weil sie – von den SozialistInnen über die KommunistInnen bis hin zu den Grünen – fest von der Gefolgschaft der Franzosen überzeugt sind, haben sie dieses Mal von vornherein gemeinsame KandidatInnenlisten ins Rennen geschickt. Eine getrennte Stimmenabgabe für PS, KPF oder Grüne ist nur an jenen relativ wenigen Orten möglich, wo sich die Kandidaten gestritten haben oder wo die persönliche Karriereplanung stärker war als die Parteidisziplin.

Statt wie vor neun Monaten mit dem Slogan „Die Zukunft ändern“ treten die Linken diesmal mit „Es muß sich etwas bewegen“ an. Unter dieser Parole subsummiert sich alles, was gegenwärtig französische Regierungspolitik bestimmt. Beim zentralen Pariser Wahlkampfauftakt der Rot-Rosa-Grünen bedeutete das unter anderem konkret, daß vor dem Veranstaltungssaal kommunistische Gewerkschafter Flugblätter für den Weiterbetrieb des schnellen Brüters „Superphönix“ verteilten, während drinnen auf dem Podium die grüne Umweltministerin Dominique Voynet rühmte, daß ihre Regierung den Superphönix abschaltet. Und die Gruppe von „papierlosen“ AfrikanerInnen, die wenig später ein Protesttransparent „Papiere für alle“ hochhielten, wurden von ein paar entschlossenen Saalordnern binnen Sekunden zum Schweigen gebracht, während Premierminister Jospin seine Rede fortsetzte.

„Die Stimmung ist gut“, heißt es im Matignon-Palast, dem Amtssitz von Regierungschef Lionel Jospin, „fast zu gut. Die Leute sind mit der Arbeit des Premierministers zufrieden.“ Jospin, der sich morgen in Cintegabelle wiederwählen lassen will, lieferte seinen WählerInnen vor wenigen Tagen noch das Argument, es müsse einen Ausgleich zwischen Regionen und Paris geben.

Noch vor wenigen Monaten hatten Mitglieder der heutigen Regierungsallianz den „RPR-Staat“ kritisiert, in dem die NeogaullistInnen von der Staatspräsidentschaft über die Regierung bis hin zu den Regionen überall am Ruder saßen. Das sei „nicht gut für die Demokratie“, hieß es in jener Oppositionszeit. Jetzt streben die Linken selbst flächendeckend in die Mehrheit.

Ob ihnen das gelingt, hängt von vielen Unwägbarkeiten ab. Am nebensächlichsten scheint dabei die konservative Opposition zu sein, die sich von ihrem Wahldebakel im vergangenen Juni nicht annähernd erholt hat. Daß morgen wieder stellenweise zwei Konservative gegeneinander antreten, gehört zur französischen Polit-Folklore. Daß aber, entgegen der ausdrücklichen Weisung von RPR- Chef Philippe Séguin, vielerorts die konservativen KandidatInnen mit der rechtsextremen Front National über eine Zusammenarbeit nach dem Urnengang schachern, hat den Charakter eines öffentlichen Auseinanderbrechens der zivilisierten Rechten.

Tatsächlich stellt die Front National in vielen Regionen längst ein Drittel der – im Verhältniswahlrecht gewählten – PolitikerInnen. Für morgen prognostizieren ihr die Meinungsumfragen eher eine Stagnation.

Ein weiterer unberechenbarer Faktor ist das Volk – und die Frage, die sich viele Franzosen stellen: Warum wählen, wenn doch eh kaum jemand weiß, worum es bei Regional- und Kantonalwahlen geht? Und wenn die Gelegenheit günstiger denn je scheint, den immer gleichen PolitikerInnen eins auszuwischen.

Neben der erwarteten hohen Stimmenenthaltung ist dieses Mal aber auch eine hohe Bereitschaft zur Protestwahl zu beobachten – gerade bei linken WählerInnen. Nachdem die „gauche plurielle“ sämtliche internen Differenzen weggebügelt hat und nachdem die sozialen Bewegungen der letzten Monate – allen voran die Arbeitslosen – auch mit der rot-rosa-grünen Regierung nicht besonders weit gekommen sind, bereitete sich gestern in Frankreich so mancheR auf eine linksradikale Stimmenabgabe vor.

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