Mit Blaulicht durch den Bremer Osten

■ Neues Notarztfahrzeug kommt erst im August / Rettungsassistent noch kein Lehrberuf /Viele kommen über den Zivildienst zum Beruf

Laut schellt das Telefon in der Rettungswache Ost in Hemelingen: Ein neuer Einsatz für den Rettungswagen 93-83-1 des Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Pünktlich zum Dienstantritt um 14 Uhr wird die Besatzung des Wagens mit Blaulicht und Sirene auf den Weg geschickt. Während die Frühschicht in Ruhe nach Hause gehen kann, fängt der achtstündige Arbeitstag für die Spätschicht gerade erst an.

Am Einsatzort treffen ASB-Rettungsassistent Christoph Rittierodt und sein Fahrer auf die Besatzung des Notarztwagens, die parallel zum Rettungswagen alarmiert wurde. Die Patientin, eine 50jährige Frau, klagt über starke Atemnot und Brustschmerzen. Blutdruck und Puls messen, Zugang legen, Sauerstoff zuführen und die Krankengeschichte der Patientin hinterfragen - Notarzt- und Rettungswagenbesatzung arbeiten wie ein eingespieltes Team zusammen. Nach dem EKG steht die vorläufige Diagnose fest. „Könnte ein leichter Herzinfarkt sein, aber nicht akut lebensgefährlich.“Die Notärztin fragt Rittierodt: „Könnt Ihr sie mitnehmen?“Der Rettungsassistent nickt zustimmend.

Wenn am 1. August das neue Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) im Krankenhaus Ost in Betrieb genommen wird, stellt sich die Frage, wer den Patienten mitnimmt, nicht mehr. Das NEF in PKW-Größe soll nach dem Rendezvous-System funktionieren: Der Notarzt wird wie bisher alarmiert, aber er führt den Transport nicht mehr selber durch, sondern begleitet die Patienten im Rettungswagen. Zusätzlich zum neuen Standort im Krankenhaus Ost werden auch die vier schon bestehenden Notarztwachen in den Zentralkrankenhäusern St.-Jürgen-Straße, Links der Weser und Nord sowie das Gröpelinger Diako mit NEFs ausgerüstet. Die Zahl der Notärzte im Bremer Rettungsdienst steigt also von vier auf fünf – vorausgesetzt der neue Stichtag wird nicht erneut nach hinten verschoben. Eigentlich sollten die schnelleren NEFs nämlich bereits seit dem 1. Januar durch Bremens Straßen rollen, und auch der 1. April ist als Termin nicht mehr zu halten .

Mittlerweile ist der 93-83-1 wieder in die Wache zurückgekehrt. Der nächste Einsatz läßt nicht lange auf sich warten. Eine ältere Dame muß ins Krankenhaus gebracht werden. Einsamkeit und Angst vor dem Krankenhaus sind ständige Begleiter im Umgang mit alten Menschen. Aber auch jüngere Leute brauchen oft seelische Unterstützung. Ein Rettungsassistent erzählt, daß er einmal über eine Stunde mit einer jungen Frau geredet hat, die völlig durchnäßt und unterkühlt an der Weserböschung saß. „Die wollte Selbstmord machen, hat sich aber nicht richtig getraut.“Dabei werden die Rettungsassistenten hauptsächlich auf medizinische Fähigkeiten trainiert.

Eine richtige Lehre als Rettungsassistent gibt es nicht. Stattdessen müssen zwischen 6000 und 7000 Mark für die Lehrgänge und die Annerkennung bezahlt werden. Viele der Rettungsdienstler sind über den Zivildienst zu ihrem Job gekommen. So auch Christoph Rittierodt: „Ich habe eigentlich Radio- und Fernsehtechniker gelernt. Nach dem Zivildienst habe ich dann den Rettungsassistenten-Schein gemacht und bin nun seit sieben Jahren im Rettungsdienst tätig.“

Gegen Abend flimmert eine Comedyserie über den Fernseher in der Wache Ost. Doch wieder wird es nichts mit einigen ruhigen Minuten auf dem Sofa. Mit Blaulicht wird der ASB-Wagen zu einer Kneipe geschickt, in der eine zuckerkranke Person zusammengebrochen sein soll. Beim Eintreffen des 93-83-1 hat sich die Person aber schon wieder aus der kleinen Pinte entfernt. Langsam fährt der Rettungswagen noch einmal durch die Straße. Niemand ist zu sehen.

„Im Bremer Osten ist immer etwas los“, schildert ein anderer Rettungsdienstler die Situation vor Ort.. „Mein bisher schlimmster Fall war eine erfolglose Säuglingswiederbelebung. Die panischen Eltern und das tote Baby gingen einem ganz schön an die Nieren.“Ansonsten heißt es bei den meisten Einsätzen aber „Abstand wahren“. „Ohne einen gewissen Abstand zum Patienten“, so ein ASB-Mann, „ist man ganz schnell ein seelisches Wrack“. Kai Moorschlatt