Die Ruhe in Person

Den Gewinn des Supercups nutzt Handballer Steffen Weber, um sich im deutschen Nationalteam zu etablieren  ■ Aus Stuttgart Frank Ketterer

An das erste Mal kann Steffen Weber sich noch allzu gut erinnern. Wie verrückt schlotterten ihm die Knie, und während die Nationalhymne abgespielt wurde, im letzten November in der Alsterdorfer Sporthalle zu Hamburg, durchströmte ihn ein Glücksgefühl, wie er es selten zuvor erlebt hatte. „Auf dem Feld war ich dann die Ruhe in Person“, erzählt der Handballer von der SG Wallau- Massenheim von seinem ersten Einsatz im Trikot der deutschen Nationalmannschaft, der nicht nur wegen seiner beiden Tore gegen die Norweger allgemein als sehr gelungen bezeichnet wurde.

Auch Heiner Brand, dem Bundestrainer, hat die Premiere des 25jährigen imponiert, was schon daraus ersichtlich wird, daß Weber beim Handball-Supercup seine Länderspieleinsätze drei, vier, fünf und sechs absolvieren durfte. Die Veranstaltung verlief überhaupt äußerst erfolgreich für das deutsche Team, das die Veranstaltung gestern durch ein 19:18 im Finale über Frankreich gewann.

Den WM-Dritten hatte das DHB-Team bereits am Freitag geschlagen, und einen Tag später im Halbfinale auch das – allerdings ersatzgeschwächte – Team des Weltmeisters Rußland mit 24:19. „Alle Achtung, das tut dem deutschen Handball sehr gut“, freute sich Heiner Brand. Er wisse freilich „die Leistungen einzuordnen.“

In der Handball-Bundesliga ist es keineswegs so, daß allzu viele deutsche Nachwuchskräfte eine verantwortliche Rolle spielen dürfen im großen Reigen der ausländischen Superstars. „Viele deutsche Mittelmänner gibt es da nicht“, sagt Weber, weshalb es sich durchaus lohnt, ein bißchen näher zu betrachten, wie ihm der Durchbruch gelungen ist in Wallau. Und daß mehrmals das Wörtchen „Glück“ fällt, wenn der Student der Informatik von seinem rasanten Aufstieg erzählt, ist nur natürlich für einen, der in nur vier Jahren den Durchmarsch geschafft hat von der Bezirksliga in die Nationalmannschaft.

Damals spielte der 1,93-Meter- Schlacks im hessischen Hochheim, und es war wirklich Glück für ihn, daß Eintracht Wiesbaden das Geld ausgegangen war und deshalb ein ziemlicher Neuaufbau stattfinden mußte mit jungen und billigen Spielern. Im Jahr darauf war er schon der beste deutsche Torschütze der zweiten Liga. Was wiederum die benachbarte SG Wallau-Massenheim aufmerksam machte, die ihn in Liga eins lockte.

Dort wäre es Weber fast ergangen, wie manch anderem deutschen Talent: Bei Trainer Kristjan Arason hatte er eine ganze Saison lang einen einzigen Bundesligaeinsatz, ganze 30 Sekunden lang.

Und wieder war das Glück auf seiner Seite, diesmal in Person von Belimir Kljaic, der Arason ablöste als Trainer – und Weber zu seinem Spielmacher machte. „Ich habe ihm viel zu verdanken“, sagt der, schließlich gehöre eine Menge Mut dazu, damit ein Trainer einen Nobody als Spielmacher einsetzt in der stärksten Handball-Liga der Welt. „Die meisten setzen auf erfahrene Leute und Ausländer“, bemängelt er. Von denen könne der Nachwuchs im Training zwar durchaus eine Menge lernen, doch was nutzt das schon, wenn es nicht angewandt werden kann im Wettkampf? „Das Problem ist, überhaupt eine Chance zu bekommen, um sich profilieren zu können“, beschreibt Weber die Situation in der Liga. Andererseits garantiere nur Spielpraxis jene Streßfestigkeit, die es braucht, um ein auf der Kippe stehendes Spiel für sich und seine Mannschaft entscheiden zu können im Fall der Fälle.

Bei der SG Wallau-Massenheim darf Steffen Weber das auch bei Nationalkollege Martin Schwalb, der Kljaic kürzlich als (Spieler-)Trainer ablöste - im Finale gestern aber verletzt fehlte. „Er hat von Anfang an gesagt, daß auch er auf mich setzt“, sagt Weber, was ihm viel Selbstvertrauen gegeben habe, gerade in einer Zeit, in der es in der Mannschaft wie auch bei ihm selbst ein wenig gekriselt habe. Überstanden sei das, die Europameisterschaftsteilnahme Ende Mai in Südtirol hat er nun ins Visier genommen, der Supercup sei eine gute Chance gewesen, „um zu zeigen, daß der Trainer auf mich bauen kann“. Vor allem dann, wenn Daniel Stephan, die unumstrittene Nummer eins auf der Zentralposition im deutschen Rückraum, eine Auszeit benötigt. „Dann will ich eine Alternative sein“, sagt Weber. Supercupsieg hin oder her: Allzu viele davon hat Heiner Brand wahrhaftig nicht.