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Ein winkeladvokatisches Vertragspapier

Mit den Eigentumsansprüchen der Künstler wächst auch der Warencharakter ihrer Werke – Maria Eichhorn geht mit ihrer Recherche zum „Artist's Agreement“ im Salzburger Kunstverein der Siebziger-Jahre-Frage nach: Wie kann man Kunst vor Spekulation absichern?  ■ Von Harald Fricke

Gotthard Graubner hatte Glück. Als Freund des Hauses konnte der Maler für ein paar hundert Mark Arbeiten direkt von Joseph Beuys kaufen. Drei Jahre nach Beuys' Tod tauchten „Stummes Grammophon“ und „Karton mit zwei Aktfiguren“ zur Auktion bei Christie's auf. Der erzielte Wert betrug 1.418.340 Mark. Als die Witwe von Beuys daraufhin klagte, wurde Graubner zwar vom Landgericht Düsseldorf zur Zahlung von 63.825,30 Mark verpflichtet, aber in einer Revision 1992 freigesprochen. Die Begründung: International gilt das deutsche Folgerecht der VG-Bild/Kunst nicht, das bei einem Weiterverkauf von Werken dem Künstler oder seinen Erben einen Anteil von fünf Prozent am Gewinn zusichert. Und Eva Beuys ging endgültig leer aus.

Die Fälle, an denen sich die Berliner Künstlerin Maria Eichhorn bei ihrer Ausstellung im Salzburger Kunstverein orientiert, sind sehr viel weniger spektakulär. Das „Artist's Reserved Rights Transfer and Sale Agreement“, das Seth Siegelaub und Bob Projansky 1971 in New York aufsetzten, galt dennoch als ein fundamentaler Eingriff in die Verkaufspraxis der gerade markttauglich gewordenen Konzeptkunst.

Der Kontrakt sah eine Beteiligung von 15 Prozent für den Künstler vor, wann immer seine Arbeit den Besitzer wechselte. Außerdem durfte er sich vorbehalten, bereits verkaufte Objekte nicht für Ausstellungen freizugeben, wenn ihm deren Kontext nicht paßte. Damit sollte vor allem der Spekulation mit Kunstwerken vorgegriffen werden: Immerhin war der Handel mit Pop-art in den sechziger Jahren explosionsartig angestiegen, während etwa das Pro- Kopf-Einkommen der in Deutschland lebenden 30.000 Künstler weiterhin „unter dem Verdienst eines ungelernten Arbeiters“ blieb, wie Petra Kipphoff im Mai 1971 in der Zeit schrieb. Entsprechend angetan war die Kunstkritikerin von dem Vorschlag der beiden New Yorker Rechtsanwälte, die damals in erster Linie die Interessen von Konzeptkünstlern vertraten. So waren es zunächst Lawrence Weiner, Daniel Buren und Hans Haacke, die sich für die Verbreitung des Vertragsentwurfs engagierten (siehe Interview). Ohne ihre Unterstützung hätte es das Papier womöglich auch nicht auf die documenta V geschafft, wo der Kurator Harald Szeeman die Vertragsvorlage mit in den Katalog aufnahm.

All diese Anekdoten und Bezüge sind nun von Maria Eichhorn sorgfältig dokumentiert worden. In einem Kuppelsaal des Salzburger Kunstvereins liegen sämtliche Materialien in schlichten Aktenordnern aus, längs der Flurwände sind großformatige Laserprints der Original-Briefwechsel mit Kunstzeitschriften oder Museumsdirektoren angebracht, und auf einem Holztisch kann man sich zusätzlich durch Interviews mit den damals engagierten Künstlern lesen. Lawrence Weiner fand das Papier zu winkeladvokatisch, ihm fehlte der Autonomieanspruch der Kunst, die gerade durch den Vertrag noch mehr zur Ware degradiert würde. Jedenfalls wollte er seine Arbeit nicht als „Uhr mit Garantie“ verstanden wissen. Buren dagegen lehnte das Artist's Agreement ab, weil es ihm nicht weit genug gegen den Handel mit „kulturellem Kapital“ gerichtet war.

Daß die Künstler das Projekt trotzdem unterstützten, lag an der sozialen Situation Anfang der siebziger Jahre. „Die Kunstwelt lebte eher isoliert vor sich hin, während die Politisierung weit in die Unis hineingriff“, erklärt Siegelaub im Rückblick, warum sein Vertrag unter günstigen Vorzeichen stand. Hierin scheint sich sein Interesse mit dem von Eichhorn zu treffen. Angesichts eines zumindest in Berlin boomenden Absatzmarktes für neu zu gestaltende Repräsentationsbauten wirkt Kunst heute wie ein Stück Inneneinrichtung. Dagegen setzt Eichhorn die Immaterialität ihrer Arbeiten, die auf Wissensvermittlung setzen – postkonzeptuelles Infotainment statt kuscheliger Ambient-art?

Bei aller Liebe zum Kontext kann man die 1962 geborene Künstlerin trotzdem an ihrem Stil erkennen. Gerade in der Beschränkung auf vorgefundenes oder neu aufgearbeitetes Material folgt die Salzburger Arbeit früheren Projekten. Zur „Metropolis“- Ausstellung 1991 hatte Eichhorn im Martin-Gropius-Bau die verblichene Tapete des Hauses freigestellt, für die Istanbul Biennale wurde 1995 ein Billboard im Stadtzentrum mit Postern von politischen Initiativen plakatiert, und in Kopenhagens Humblebaek-Museum beschränkte sich ihre Arbeit vor zwei Jahren auf eine Neupflanzung von Seegräsern unten am Strand. Jetzt sind es sozusagen Betriebsinterna, die Eichhorn in Salzburg thematisiert. Wer will, kann darin auch die Fortsetzung von Manets „Frühstück im Atelier“ erkennen. Aus dem spätromantischen Selbstporträt ist allerdings ein bilderloser Rechtsstreit geworden.

Bis 19. April im Salzburger Kunstverein, Hellbrunner Straße 3, 5020 Salzburg. Dort kann man auch eine Kopie des Vertrags bestellen.

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