■ Den Spritpreis auf 5 Mark zu erhöhen, macht zusammen mit dem 3-Liter-Auto Sinn. Doch das verschweigen die Kritiker der Grünen
: Das Schreckgespenst Benzinpreis

Ein Gespenst geht um in Deutschland: 5 Mark fürs Benzin. Einst lieferten steigende Brotpreise den Zündfunken für Revolutionen, heute bringen Spritpreise das Volk in Wallung. Kaum etwas ist schließlich so unverzichtbar geworden wie die freie Fahrt für freie Bürger – mit dem Auto und zu möglichst niedrigen Kosten. Schon warnen Kohl und Hintze vor dem „Verlust von Freiheit“, wenn der Benzinpreis klettert, und wollen die Wahl an der Zapfsäule doch noch für sich entscheiden.

Schröder spricht von „Quatsch“, 5 Mark käme mit ihm „nicht in die Tüte“. Wie aber, wenn nicht durch höhere Energiebesteuerung, soll die Senkung der Lohnnebenkosten finanziert werden, die für eine positive Trendwende auf dem Arbeitsmarkt unerläßlich ist? Die CDU-Bundesumweltministerin Angela Merkel ist da ehrlicher: Die Erhöhung der Mineralölsteuer sei eine „gute Grundidee“, schade sei nur, daß die Grünen mit ihrer drastischen Szenario-Rechnung die Leute so verschreckten. (Da ist was dran.) Und es war ihr Fraktionsvorsitzender Schäuble, der vor wenigen Wochen eine um 15 Pfennig erhöhte Mineralölsteuer vorgeschlagen hatte, um erneute Beitragssteigerungen bei der Rentenversicherung abzuwenden. Er konnte sich nur in seinem eigenen Laden nicht damit durchsetzen.

Wenn man die Aufgeregtheiten beiseite rückt, lohnt es sich, an einige Tatsachen zu erinnern: Erstens mußte man in den 50er Jahren in Deutschland für einen Liter Benzin eine Stunde arbeiten. Heute sind es ein paar Minuten. Benzin ist, bezogen auf die Kaufkraft der Menschen, über die Jahrzehnte viel billiger geworden.

Zweitens: In den 16 Jahren der Regierungszeit Kohls ist der Benzinpreis nominal um lediglich 10 Prozent gestiegen, das ist weniger als die allgemeine Inflationsrate. Im selben Zeitraum ist z.B. die Zugfahrkarte von Frankfurt nach Hamburg um 60 Prozent teurer geworden. Kein Wunder, daß die Deutsche Bahn AG neuerdings sogar im Personenverkehr rückläufige Fahrgastzahlen verzeichnet, trotz ICE und Bahnreform.

Drittens: Innerhalb der EU liegt der deutsche Benzinpreis im untersten Viertel: In den skandinavischen Ländern, in Großbritannien, Italien, Holland und Frankreich kostet ein Liter Super bleifrei heute schon, so die Auskunft des ADAC, knapp zwei Mark oder mehr, in Deutschland nur 1,67 Mark. Tendenz fallend.

Der erste jährliche Erhöhungsschritt bei der Mineralölsteuer, frühestens möglich zum 1. Januar 1999, betrüge nach dem Konzept Grün pur 50 Pfennige. Bei gleichzeitiger Abschaffung der Kfz- Steuer, die ungerecht Viel- und Wenigfahrer gleich belastet, ergäbe das eine reale Preissteigerung von etwa 30 Pfennig pro Liter. Damit würde in Deutschland erst einmal das jetzige europäische Preisniveau erreicht.

Die weiteren Erhöhungsschritte von jährlich 30 Pfennig würden erst im Jahr 2009 zu den skandalösen 5 Mark führen – zu einem Zeitpunkt, da das Zwei-Liter-Auto längst auf dem Gebrauchtwagenmarkt angekommen sein wird. Denn der Audi-Vorstandsvorsitzende Franz- Josef Paefgen hat bereits vor einem halben Jahr vor der Presse angekündigt: Noch 1999 wird seine Firma ein Auto auf den Markt bringen, das „unter drei Liter“ verbraucht, „keine rollende Kasperlbude“, wie der Projektleiter der VW-Tochter versichert, sondern ein Viertürer mit großem Kofferraum, voller Sicherheitsausstattung und einem Neupreis unter 30.000 Mark, „einen richtigen Audi“ eben. Und kürzlich sattelte der Chef des Mutterkonzerns, Ferdinand Piäch, noch eins drauf: „Bei uns kommt demnächst das 3-Liter- Auto und dann das 2-Liter-Auto und danach das 1-Liter-Auto“.

Der harte Kern des Kulturkampfs um den Spritpreis ist also die Frage: Soll Autofahren in Zukunft noch billiger werden? Bei sinkendem Verbrauch und gleichbleibendem Spritpreis wäre dies der Fall. Nur ein stetiger Anstieg der Mineralölsteuer hält die Fahrtkosten etwa gleich. Wer mit einem heutigen Durchschnittsauto 9 Liter auf 100 Kilometer verbraucht, bezahlt dafür nach gegenwärtigem Benzinpreisstand 15,30 Mark. Wer in 10 Jahren für dieselbe Strecke nur noch 3 Liter verbraucht, muß selbst bei einem bis dahin verdreifachten grünen Literpreis von 5 Mark nur noch 15 Mark berappen. Was ist daran unsozial? Gar nichts, zumal der allergrößte Teil der Ökosteuereinnahmen Prozentpunkt für Prozentpunkt an die Beschäftigten wie an die Unternehmen zurückfließen wird und menschliche Arbeit wieder bezahlbarer macht.

Freilich werden die Leute öfter mal vom Auto aufs gesündere Fahrrad umsteigen oder auf Bus und Bahn. Das ist durchaus gewollt. Kein Mensch glaubt indes, daß sie ganz aufhören werden, Auto zu fahren. Sie werden aber andere Autos fahren, effizientere. Und auch das ist gewollt.

Je schneller und erfolgreicher sich das 3-Liter-Auto durchsetzt, desto besser. Profitieren wird die Umwelt, denn weniger Verbrauch bedeutet weniger Schadstofflast. Vorteile wird aber auch die Industrie haben: Die Nachfrage nach den neuen Sparautos wird die Fertigungsbänder heißlaufen lassen und Arbeitsplätze sichern, nicht nur bei VW und Audi. Der Motor dafür ist der spürbar und berechenbar steigende Benzinpreis. Das 3-Liter-Auto ist gut für die Umwelt, gut für die Wirtschaft und gut für den Geldbeutel.

Die Grünen, nicht die selbsternannten Oberinnovateure Schröder und Stoiber, sind mit ihrem provokativen Vorschlag die eigentlichen Promoter der modernen Automobiltechnik. Sie verlangen einfach, wie von jedem Kraftwerk und jeder Kühltruhe auch, höchstmögliche Energieeffizienz. Den Push dafür liefert die Ökosteuer. Das ist kein Fundamentalismus, sondern ökologische Marktwirtschaft.

Die schrittweise Erhöhung der Mineralölsteuer wird übrigens sowieso kommen, auch unter einer CDU-geführten Regierung. Hintze & Co sind nur so scheinheilig, es vor der Wahl zu verschweigen. Und ob es bei Rot-Grün mit Steuer-Mann Schröder dann in 30-Pfennig-Schritten aufwärts geht oder etwas sachter, darüber wird zu reden sein. Jedem ist doch klar, daß nichts so treffliche Verhandlungsmasse bietet wie Zahlen. Nicht verhandelbar ist allerdings der Grundsatz: Rauf mit den Energiekosten, runter mit den Arbeitskosten – nicht nur in symbolischen Größen.

Kohl und Schröder müssen sich fragen lassen: Wollen Sie eine niedrige Arbeitslosenzahl oder einen niedrigen Energiepreis? Beides zugleich ist nicht zu haben. Ali Schmidt