Selbsternannte Sheriffs im Dienste des BGS

In Forst, an der deutsch-polnischen Grenze, geht seit Jahren eine Bürgerwehr Streife. Sie greift auch schon mal Flüchtlinge auf  ■ Von Vera Gaserow

Berlin (taz) – Die Männer tragen einheitliche dunkle Jacken, und wer flüchtig hinschaut, wird auf den Schulterklappen so etwas wie Sterne blinken sehen. Rangabzeichen, wie man sie bei Uniformierten in amtlichen Diensten kennt. Auch die Zugehörigkeit zu einer Einheit ist auf den Jacken großbuchstabig vermerkt: „BWG-9“ oder auch „BWG-39“. Das amtliche Outfit verschafft Respekt. Wenn die Männer nachts im brandenburgischen Grenzstädtchen Forst Streife laufen, dann ist eine Verwechslung nicht nur möglich – sie ist auch erwünscht. Wer sich nicht auskennt des Nachts an der deutsch-polnischen Grenze, der glaubt eine Patrouille des Bundesgrenzschutzes oder der Polizei vor sich zu haben. Das macht vor allem denen schnelle Beine, die hier als Flüchtlinge durch die Neiße schwimmen oder etwas auf dem Kerbholz haben.

Kornelius K. und seine drei Freunde hatten sich nichts zuschulden kommen lassen, als sie am Abend des 23.Januar auf dem Radwanderweg an der Neiße nach Hause radelten. Die Jugendlichen kamen gegen 22 Uhr von einer Theaterprobe im Pfarrhaus, als sich ihnen ein Auto mit aufgeblendeten Scheinwerfern in den Weg stellte. Dessen Insassen stellten sich als Angehörige einer „Bürgerwehrgruppe“ vor, auf ihren Jacken prangte das Emblem „BWG-9“. Rund 30 Minuten, so schilderten die Jugendlichen später, habe man sie an der Weiterfahrt gehindert. Weil einer von ihnen durch seine schwarze Hautfarbe als Ausländer kenntlich war, sollten sie zur Personalienüberprüfung auf den herbeigefunkten BGS warten. Erst als der auch nach 30 Minuten nicht eingetroffen war, ließ man die Jugendlichen nach Hause.

Die nächtliche Begegnung der besonderen Art in Forst hatte ein Nachspiel. Empört über die „Freiheitsberaubung“ ihres Sohnes hat die Mutter von Kornelius K. versucht, eine Strafanzeige zu erstatten, und der Pfarrer der Gemeinde, in deren Räumen die vier Jugendlichen geprobt hatten, berief Ende Februar eine Bürgerversammlung ein. Was dort bekannt wurde, wollen offizielle Stellen zuvor nicht gewußt haben.

Ohne dafür legitimiert zu sein, kontrollieren seit sechs Jahren sogenannte Bürgerwehrgruppen die Laubenkolonien am Forster Stadtrand und am angrenzenden Neiße- Ufer. Rund 15 Männer in selbstgeschaffenen Uniformen wechseln sich beim nächtlichen Streifendienst ab, um die Gartenhäuschen vor Einbrüchen zu schützen. Eine Initiative, aus Hilfslosigkeit gegenüber wachsenden Diebstählen entstanden und eine legitime Sache, wenn sie sich im engen, rechtlich zulässigen Rahmen hält. Doch die Forster Bürgerwehr, nach eigenen Angaben mit Handschellen, Schreckschußpistolen und Leuchtmunition ausgestattet, scheint ein fragwürdiges Eigenleben entwickelt zu haben. Sie spekuliert mit ihrem uniformierten Outfit offenbar darauf, mit Grenzschutz und Polizei verwechselt zu werden.

Und zumindest der BGS nimmt offenbar gern die Dienste der Hilfstruppe in Anspruch. Die Zusammenarbeit mit den „Kollegen“ vom Grenzschutz klappe reibungslos, erklärte ein Vertreter der Bürgerwehr auf der Bürgerversammlung, und über Funk komme es auch zu amtlichen Hilfsersuchen wie diesem: „Könnt ihr mal eure Gartenanlagen durchsuchen, uns sind fünf Leute abhanden gekommen.“ Auch bei der Kontrolle der radelnden Jugendlichen habe der BGS gebeten, ob man nicht „ein Auge“ auf die vier werfen könne. Kürzlich habe die Bürgerwehr dem BGS 63 „Asylanten zugeführt“. „Den anwesenden BGS- Vertretern“, beobachtete ein Mitarbeiter des Brandenburgischen Flüchtlingsrats, „war das Eingeständnis dieser Arbeitsteilung unangenehm.“

Inzwischen bemüht man sich um ein laues Dementi. „Wir sind nicht der Initiator dieser Gruppen, und es gibt keine direkten Kontakte“, erklärt Klaus Müller, Sprecher der zuständigen Grenzschutzdirektion Frankfurt (Oder). Der BGS habe keine Aufträge erteilt, „aber wir finden es nicht schlecht, daß Leute ihr Umfeld beobachten und nehmen Informationen dankend entgegen“. Daß die Bürgerwehrgruppen mit ihren Uniformen dabei einen offiziellen Eindruck erwecken, damit habe mein kein Problem. „Uns ist egal, ob jemand in uniformähnlicher Kleidung oder Badehose rumläuft.“ Nun versucht man, die bisher stillschweigend akzeptierte Sheriff-Tätigkeit nachträglich auf eine legale Basis zu stellen. Die Bürgerwehren sollen in das Konzept von „Sicherheitspartnerschaften“ eingebunden werden, das die brandenburgische Polizei in mehreren Kommunen praktiziert. Dort werden ausgewählte Bürger für ihre Patrouillengänge geschult.