Überkapazitäten voll im Plan

■ Tunnel zwischen neuer MVA Rugenberger Damm und Fernwärmestation fertig. Doch der Müllofen ist überflüssig

Röhren für Hamburg: Während der Tunnelbohrer „Trude“sich zwei Autobahnspuren breit unter der Elbe hindurchfrißt, ist eine kleinere Variante – von ihren Ingenieuren „Trudchen“getauft – gestern an ihrem Ziel angekommen. Die Maschine bohrte sich unter dem Köhlbrand hindurch. Durch den Schacht soll künftig heißer Dampf der „Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm“(MVR) geleitet werden. Der Ofen wird voraussichtlich in einem Jahr in Betrieb gehen – und damit Überkapazitäten schaffen.

Drei Müllverbrennungsanlagen gibt es schon in Hamburg. Die vierte entsteht zur Zeit neben der Köhlbrandbrücke. 320.000 Tonnen Müll kann die MVR pro Jahr verbrennen. Die Stadtreinigung bräuchte davon nur 120.000 Tonnen, um zusammen mit den drei übrigen Anlagen den Hamburger Müll zu verbrennen. Die Anlage wäre damit zu zwei Dritteln nicht ausgelastet. Die Baukosten von satten 450 Millionen wären eine glatte Fehlinvestition.

Doch der Ofenbetreiber – ein Unternehmen im Mehrheitsbesitz der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) – kann den Konjunktiv streichen. Die stadteigene Stadtreinigung übernahm das Risiko der mangelnden Auslastung. Sie hat die gesamte Kapazität des Ofens auf mehrere Jahre fest „gebucht“.

Um die Anlage voll zu kriegen, wird die Stadtreinigung jährlich 120.000 Tonnen Müll aus dem Umland importieren. Bleiben immer noch Platz für 80.000 Tonnen. „Reservekapazität in unserem Verbund aus vier Verbrennungsanlagen“nennt Stadtreinigungs-Sprecher Reinhard Fiedler dieses Loch. Als „Überkapazitäten“bezeichnet sie Umweltsenator Alexander Porschke (GAL). Und als Hindernis auf dem Weg zu einer grünen Müllpolitik.

Denn die GALier wollen mehr Müll als bisher vermeiden – was die Überkapazitäten weiter vergrößern würde. Die Mehrkosten hätte bei der derzeitigen Vertragslage die Stadtreinigung zu tragen beziehungsweise ihre Kunden: die Hamburger Haushalte. „Wir versuchen, aus diesen Verträgen herauszukommen. Aber ich bin im Moment pessimistisch“, sagte Porschke gestern.

Der Bau der Anlage ist nach Angaben der MVR derzeit „im Zeitplan“. Der Ofen gilt als technisch modernster in ganz Deutschland. Die Abwärme wird zur Erzeugung von Strom und Dampf genutzt. Der Dampf soll zu einer Fernwärmestation der HEW jenseits des Köhlbrands geleitet werden – durch den Tunnel, den „Trudchen“gestern zu Ende gebohrt hat.

Achim Fischer