Neuer Mord in nordirischem Hochsicherheitsknast

■ Die Obduktion ergibt: Der am Sonntag in einer Zelle erhängt aufgefundene Loyalist David Keys wurde ermordet. Das Gefängnis in Belfast ist wegen mangelnder Sicherheit berüchtigt

Dublin (taz) – Im nordirischen Hochsicherheitsgefängnis Long Kesh südlich von Belfast ist schon wieder ein Mord geschehen: Am Sonntag fand man den Untersuchungsgefangenen David Keys erhängt in seiner Zelle. Was zunächst wie Selbstmord aussah, entpuppte sich bei der Obduktion als Mord.

Dem 26jährigen und drei Mitangeklagten wurde der Überfall auf ein Wirtshaus in Poyntzpass zur Last gelegt, bei dem Anfang des Monats zwei Freunde – ein Protestant und ein Katholik – erschossen worden waren. Keys, ein ehemaliger Soldat der britischen Armee, hatte seine Beteiligung bestritten.

Nachdem am vergangenen Mittwoch Anklage gegen ihn erhoben worden war, verlangte er, in den Gefängnisflügel der Loyalist Volunteer Force (LVF) verlegt zu werden. Die LVF hat einen Waffenstillstand bisher abgelehnt. Im Dezember ist ihr Anführer Billy Wright in Long Kesh – oder The Maze, wie es offiziell heißt – durch fünf Schüsse getötet worden. Die LVF begann daraufhin einen Rachefeldzug gegen Katholiken, zuletzt hatte sie auch protestantische Politiker und Geistliche zu „legitimen Angriffszielen“ erklärt, sofern sie sich nicht vom nordirischen Friedensprozeß distanzierten.

Der hat in dieser Woche Pause, weil die nordirischen Parteichefs und der irische Premierminister Bertie Ahern heute in Washington mit US-Präsident Bill Clinton den St. Patrick's Day, Irlands Nationalfeiertag, begehen. Clinton sagte, er wolle das Treffen dazu nutzen, um „die letzten Punkte zusammenzuhämmern“, damit die Frist für ein Friedensabkommen bis Ostern eingehalten werden könne. Der britische Premierminister Tony Blair hat angekündigt, daß er in der letzten Phase der Gespräche selbst den Vorsitz übernehmen wolle.

In den sieben H-förmigen Gebäuden von Long Kesh sind die Gefangenen nach Organisationszugehörigkeit verteilt. Innerhalb ihrer Flügel können sie sich frei bewegen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren bereits vor den beiden Morden kritisiert worden, nachdem im vorigen Sommer ein IRA- Mann in Frauenkleidern hinausspazierte, während der Gefängnisdirektor bei einer Kinderparty für die Angehörigen auf einer Gummiburg im Hof herumhüpfte. Wenige Monate zuvor hatte man durch Zufall einen 40 Meter langen, elektrisch beleuchteten Fluchttunnel entdeckt, weil er bei schweren Regenfällen eingestürzt war.

Die Demokratische Unionistische Partei des rechten Pfarrers Ian Paisley verlangte eine gerichtliche Untersuchung sowie den Rücktritt der britischen Nordirlandministerin Mo Mowlam und des Gefängnisdirektors. Nordirlands Sicherheitsminister Adam Ingram lehnte gestern jedoch personelle Konsequenzen ab. Von einer gerichtlichen Untersuchung des Falles verspreche er sich auch nichts, sagte er. Ralf Sotscheck