Frauen gegen Clinton

■ Unmut unter Feministinnen nach den neuen Vorwürfen sexueller Belästigung

Washington (AFP) – Wochenlang köchelte der Skandal um US- Präsident Bill Clintons sexuelle Fehltritte auf kleiner Flamme. Nun hat eine ehemalige Mitstreiterin das Feuer neu entfacht. Vor einem Millionenpublikum beschuldigte Kathleen Willey, ehemalige Mitarbeiterin des Weißen Hauses, Clinton am Sonntag im Fernsehsender CBS der sexuellen Belästigung und des Meineids und machte damit öffentlich, was sie zuvor als Zeugin im Verfahren Paula Jones gesagt hatte.

Der Sex-Skandal hat den Präsidenten damit wieder eingeholt, und das Risiko eines Flächenbrandes ist größer als zuvor. Die 51jährige Willey unterscheidet sich drastisch von jungen Frauen wie Paula Jones oder Monica Lewinsky, die in der Öffentlichkeit zu billigen Flittchen herabgesetzt worden sind. Auch die Beteiligung an einer politischen Intrige gegen Clinton kann der Demokratin schwer vorgeworfen werden.

Zum Sprachrohr weiblicher Entrüstung machte sich gestern die Frauenorganisation NOW, die für Jones nur zögerlich Partei ergriffen hatte. Gerade weil Willey keine eigennützigen Zwecke verfolge und sich nur widerstrebend geäußert habe, müsse ihr Vorwurf ernst genommen werden, sagte die NOW- Vorsitzende Patricia Ireland. Willey sei „sehr glaubwürdig“, fügte sie hinzu und prophezeite: „Wir steuern hier in sehr tiefe Gewässer.“

Für Clinton sind die Äußerungen Irelands ein schlechtes Omen. Daß er die Enthüllungen um Monica Lewinsky im Januar politisch überlebte, verdankt er nicht zuletzt der Unterstützung, die er laut Umfragen immer noch bei der weiblichen Wählerschaft genießt. Dementsprechend schickte das Weiße Haus gestern eine Frau ins Gefecht, um den Präsidenten zu verteidigen. Kommunikationsdirektorin Ann Lewis ließ dabei die neue Linie des Clinton-Lagers erkennen: Die Frage, warum Willey weiter für den Präsidenten arbeitete, wenn sie sich von ihm belästigt fühlte, soll Zweifel an der Glaubwürdigkeit der ehemaligen Stewardeß wecken.