"Flüchtling war Terrorist"

■ Auswärtiges Amt bestätigt Tod eines abgeschobenen Kosovo-Albaners. Der Siebzigjährige sei an Überfall beteiligt gewesen. Gesellschaft für bedrohte Völker: Weiterer Albaner vermißt

Bonn (taz/AP) – Im Fall des albanischen Flüchtlings, der nach seiner Abschiebung aus Bayern in den Kosovo getötet worden war, hat das Auswärtige Amt (AA) in Bonn erklärt, der Siebzigjährige sei ein Terrorist gewesen. Der Mann sei in der Bundesrepublik Jugoslawien unter dem Vorwurf des Terrorismus verfolgt und von der serbischen Polizei zusammen mit fünfzehn anderen mutmaßlichen Terroristen getötet worden, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Erdmann, am Montag in Bonn vor Journalisten.

Bei seiner Einschätzung stützt sich das Ministerium nach eigenen Angaben auf einen Bericht der Behörden in Belgrad an das AA.

Bei der Geselllschaft für bedrohte Völker stieß die Darstellung des AA auf scharfe Kritik. Der Vorsitzende Tilman Zülch sagte der taz: „Das ist unglaublich! Das Auswärtige Amt macht sich die Position eines Regimes zu eigen, dessen Handlanger vor einem internationalen Tribunal wegen des Genozids in Bosnien angeklagt sind.“ Das AA solle sich statt dessen um unabhängige Quellen bemühen. Ministeriumssprecher Erdmann wollte sich nicht dazu äußern, ob der Terrorismusvorwurf der serbischen Behörden dem deutschen Terroristenbegriff entspreche.

Der Gesellschaft für bedrohte Völker liegen unterdessen konkrete Hinweise auf den möglichen Tod eines zweiten Kosovo-Albaners vor, der aus Bayern abgeschoben worden war. Nach Angaben von Tilman Zülch handelt es sich um einen zwanzigjährigen Flüchtling, der fünf Jahre in Neumarkt lebte, ehe er in Abschiebehaft genommen und in den Kosovo deportiert wurde. Seitdem sei er verschwunden. Wie auch der Siebzigjährige, dessen Tod die serbischen Behörden jetzt bestätigten, soll sich der junge Mann zuletzt im Ort Likoshan aufgehalten haben. „Noch haben wir einen Funken Hoffnung“, sagte Zülch, der von einem in Deutschland lebenden Verwandten des Verschwundenen kontaktiert worden war.

Für das Auswärtige Amt sei der gewaltsame Tod des Siebzigjährigen, dessen Name mit Islami Muharem oder Muhammad angegeben worden sei, kein Anlaß, seinen Lagebericht zum Kosovo zu ändern, sagte der AA-Sprecher. Abschiebungen von Kosovo-Albanern aus Deutschland seien nach wie vor möglich, sollten allerdings im Einzelfall geprüft werden.

Erdmann erklärte, die sechzehn Getöteten seien Teil einer größeren Gruppe gewesen, die nach einem Bericht der Belgrader Behörden an das Auswärtige Amt am 28. Februar eine Polizeistreife überfallen und dabei vier Polizisten getötet hätten. pat